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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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er.
    »Haben Sie vorher etwas gesehen?«, fragte Sundström. »Als Sie runterkamen und in die Cafeteria gingen? Oder noch früher, als Sie das Gebäude betraten?«
    Hämäläinen dachte eine Weile nach, dann schüttelte er den Kopf.
    »Irgendjemanden, der Ihnen auffiel. Der nicht in den Sender gehört. Fühlten Sie sich beobachtet?«
    »Nein«, sagte Hämäläinen. »Da war gar nichts. Natürlich waren da Menschen, als ich kam und vermutlich auch, als ich in die Cafeteria ging, aber ich habe nicht darauf geachtet.«
    Wieder Stille.
    »Ist denn … hat denn niemand … haben Sie noch gar keinen Hinweis bekommen?«, fragte Hämäläinen.
    »Ich fürchte, nein. Nichts«, sagte Westerberg.
    »Aber irgendjemand muss doch was gesehen haben.«
    »Wir vermuten, dass der Angreifer mit einer Gruppe ins Gebäude gekommen ist, die an einer Führung durch die Redaktionen teilnehmen wollte«, sagte Westerberg.
    »Natürlich ist auch denkbar, dass es ein Mitarbeiter des Senders war«, ergänzte Sundström.
    Hämäläinen lag reglos und schwieg eine Weile.
    »Was ist hier überhaupt los? Warum wurde ich …«, sagte er dann.
    Westerberg suchte nach Worten, und Sundström sagte: »Wir wissen es nicht.«
    »Es muss doch … es muss mit dem Gespräch zusammenhängen. Dem Gespräch, das ich mit Mäkelä und dem Gerichtsmediziner geführt habe.«
    Sundström schwieg, Westerberg schwieg, und Kimmo Joentaa dachte, dass Hämäläinen das Offensichtliche aussprach.
    »Was haben wir denn da gemacht, verdammt?«, sagte Hämäläinen. »Da war doch gar nichts.«
    Wieder Stille.
    »Das war ein ganz normales Gespräch, ich habe Hunderte davon geführt«, sagte Hämäläinen. »Da war nichts Besonderes. Ein Gerichtsmediziner erzählt aus seinem Alltag, ein Puppenbauer demonstriert seine Arbeitsweise. Mehr war da nicht.«
    »Wir wissen noch nicht, was der Hintergrund ist. Umso wichtiger wäre es, dass Sie sich an jedes Detail dieses Tages erinnern. Sie müssen doch … entschuldigen Sie, aber Sie müssen doch irgendetwas wahrgenommen haben.«
    »Einen Schatten«, sagte Hämäläinen. »Wie gesagt.«
    »Ein Schatten reicht nicht«, sagte Sundström.
    »Ich weiß.«
    In ihrem Rücken wurde die Tür geöffnet. Die Frau, die am Morgen neben Kimmo durch das Sichtfenster auf den bewusstlosen Hämäläinen geblickt hatte, stand auf der Schwelle.
    »Irene«, sagte Hämäläinen.
    Irene Hämäläinen bewegte sich zögernd in den Raum hinein.
    »Halb so wild«, sagte Hämäläinen leise, aber doch mit dem zuversichtlichen Grundton, der ihn auch als Moderator auszeichnete. »Sieht schlimmer aus, als es ist.«
    Die Frau nickte.
    »Sieht es überhaupt schlimm aus? Ich fühle mich ganz gut«, sagte Hämäläinen.
    Die Frau nickte ihnen zu und trat an das Bett heran.
    »Wo sind die Kobolde?«, fragte Hämäläinen.
    »Bei Mariella. Sie sind guter Dinge«, sagte sie. Ihre Stimme klang brüchig und gleichzeitig kraftvoll.
    »Gut«, sagte Hämäläinen.
    »Ja … wir gehen dann mal«, sagte Sundström und erhob sich. Nach einigen Metern drehte er sich noch einmal um. »Die Ärzte sagen, dass Sie einige Tage hierbleiben werden. Die Station wird von Beamten gesichert. Nur Ihre Frau und die behandelnden Ärzte haben Zutritt. Und wir natürlich.«
    Hämäläinen nickte.
    »Alles Weitere besprechen wir beim nächsten Mal«, sagte Sundström.
    Hämäläinen nickte und sah seine Frau an, und Joentaa dachte wieder, dass er verändert aussah.
    Erschöpft. Gezeichnet. Erleichtert. Befreit.
    Irene Hämäläinen setzte sich auf den Stuhl, auf dem Sundström gesessen hatte. Joentaa wendete sich ab und dachte an Kai-Petteri Hämäläinen, an den immer gleichen Gesichtsausdruck, an das Lächeln zum Abschied, wenn die Gäste die Bühne verließen, und er dachte:
    Befreit, aber nicht von Todesangst.
    Befreit von dem bedrückenden Gefühl, unsterblich zu sein.
34
    Das reglose flimmernde Bild. Immer dasselbe. 18.30 Uhr. Sie muss nur einige Minuten warten. Dann sitzt sie ihm gegenüber und verneint, als er sie fragt, ob etwas Bestimmtes passiert sei.
    »Es ist ungewöhnlich, dass Sie anrufen. Sie haben noch nie zwischen unseren Sitzungen angerufen«, sagt er.
    Sie nickt.
    »Haben Sie Rauna besucht?«, fragt er.
    Sie nickt.
    »Wie geht es ihr?«
    »Gut«, sagt sie.
    Er schweigt und neigt den Kopf zur Seite und sieht durch das Fenster ins Dunkel.
    »Sie haben von einem Bild gesprochen …«
    »Nein«, sagt sie.
    »Nein?«
    »Nein, Sie haben von einem Bild gesprochen, und ich habe gesagt,

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