Im Wirbel der Gefuehle
richtig verstanden.
Reine saß ungerührt neben ihrer Mutter, hielt ihr die Hand und murmelte einige beruhigende Worte, damit diese sich nicht weiter aufregen und die schaurigen Erinnerungen vergessen würde. Nach einer Weile tat der Tee seine Wirkung. Als sie sich sicher war, dass ihre Mutter nun schlief, nahm sie ihr die Tasse aus der schlaffen Hand und verließ schnell und leise das Zimmer.
»Ist alles in Ordnung mit ihr?«
Sie schnappte nach Luft und hätte fast die Teetasse fallen gelassen, als sie plötzlich diese tiefe Stimme vernahm. Es war Christien, der einige Meter entfernt von der Schlafzimmertür ihrer Mutter, im Flur mit dem Rücken an der Wand lehnte. Inzwischen hatte er sich fertig rasiert, sein Hemd angezogen und den Gehrock angelegt, doch Reine konnte den Anblick, wie er halbnackt in voller Pracht vor ihr stand, nicht so ganz aus ihrem Gedächtnis bannen. Sie war überrascht, dass er sich offensichtlich Sorgen machte, sonst hätte er nicht hier auf sie gewartet, aber es war auch irgendwie erfreulich. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie die geeigneten Worte fand.
»Ihr geht es wieder gut, danke.«
»Sie will mich nicht mehr auspeitschen oder rausschmeißen lassen?«
»Das wäre wohl kaum möglich, selbst, wenn sie es wollte.« Reine schenkte ihm ein süffisantes Lächeln, während sie sich ein wenig von der Tür wegbewegte, um ihre Mutter nicht aufzuwecken. »Letztendlich ist es ja Euer Haus.«
Er ignorierte diese Bemerkung und folgte ihr, um sie hinunter in den Eingangsbereich des Hauses zu begleiten. »Der Pfarrer wurde auch noch nicht informiert?«
»Um so schnell wie möglich die Eheschließung anzubahnen? Nein.«
»Schade.«
Sie hielt im Gehen inne und schaute ihn direkt an, sodass er stehen bleiben musste. »Ihnen wäre das recht?«
»Aber ja, ich würde eine schnelle Hochzeit vorziehen«, antwortete er und hielt ihrem Blick stand. »Und Sie?«
Was wollte sie eigentlich wirklich? Einerseits kam es ihr vor, als ob sie geradezu vor den Altar geschleppt würde, andererseits zog sich die ganze Angelegenheit in einem Schneckentempo dahin. Der Fechtmeister mochte wohl auf dem Feld der Ehre furchtlos sein, doch war es durchaus möglich, dass er seine Meinung änderte, wenn erst einmal die Gerüchteküche mit den ganzen alten Anschuldigungen das Brodeln anfing. Eine Verzögerung könnte zur Katastrophe werden, und Reine und ihre Familie würden sich dann womöglich auf der Straße wiederfinden.
Sie befeuchtete ihre Lippen, die plötzlich trocken geworden waren, und den Blick fasziniert auf seine Krawatte geheftet, antwortete sie ihm. »Nein, mir wäre es auch recht, wenn alles schnellstmöglich über die Bühne geht. Sagen wir in einer Woche?«
»Noch besser wäre es, wenn wir es schon morgen machen könnten.«
Was für ein ungeduldiger Bräutigam. Sie sollte sich geschmeichelt fühlen und wäre es sicherlich auch gewesen, wenn wohl nicht eher die Absicht dahinter zu vermuten war, dass er einfach alles zügig geregelt haben wollte.
Wie die meisten Männer der Tat, die nach einer einmal getroffenen Entscheidung ihren Weg konsequent und zielstrebig gehen, so schlug auch bei ihm dieser Instinkt durch.
Es war ja nicht so, dass sie daran zweifelte, dass er sie wollte, sonst hätte er ihr wohl kaum die Ehe angetragen, soviel war sicher. Doch sie war sich auch im Klaren darüber, dass er wahrscheinlich River’s Edge noch mehr begehrte als sie. Und warum auch nicht? Schließlich war es ein sehr wertvoller Besitz, und er hatte selbst nichts als den Ruf, der fähigste Fechtmeister in New Orleans zu sein.
All dies wusste sie nur zu gut, sodass es lächerlich erschien, sich von seinem Antrag geschmeichelt zu fühlen. Sie konnte allerdings auch nicht ihr kribbelndes Gefühl verleugnen, dass sich einstellte, sobald sie an die bevorstehende Hochzeitsnacht dachte. Darunter mischte sich jedoch auch Angst, was er wohl danach von ihr halten würde, aber das war ihr Geheimnis.
Sie atmete tief durch und nickte dann zustimmend. »Ausgezeichnet. Hier, in dieser Kapelle, so wie wir es vorhin besprochen hatten. Sie können natürlich einladen, wen Sie möchten.«
»Ich habe einige Freunde, die der Zeremonie sicherlich gerne beiwohnen würden.«
»Wenn Sie eine Liste erstellen möchten, werde ich dafür sorgen, dass alle benachrichtigt werden.«
»Darum werde ich mich schon kümmern, es sei denn, Sie wünschen das etwas formeller?«
»Ganz und gar nicht. Es sollte auf keinen Fall eine zu formelle
Weitere Kostenlose Bücher