Im Wirbel der Gefuehle
Angelegenheit werden. Ein ausgefallenes Kleid zu tragen und die üblichen Feierlichkeiten zu veranstalten, wäre in diesem Fall doch eher unangebracht, das werden Sie sicherlich verstehen.«
Indem er seine Fingerspitze zart unter ihr Kinn legte und es leicht anhob, zwang er sie, ihm direkt in die Augen zu blicken. »Was auch immer Sie tragen werden, Sie werden darin wundervoll aussehen«, sagte er lächelnd und fügte schelmisch hinzu: »Und ich werde versuchen, dass Sie sich mit mir und meinem Aufzug nicht schämen müssen.«
»Das tue ich nicht ... nein ... ich meine, wenn Sie auf das Hemd anspielen ...«, begann sie stotternd, während ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. In diesem Augenblick wünschte sie, dass ihr nicht diese Bemerkung über den Zustand seines Hemdes herausge-rutscht wäre, ganz egal welch ehrenvollen Absichten damit verknüpft waren.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde mit Stolz das tragen, was sie für mich schneidern werden. Was den Rest angeht, so müssen Sie mir eben vertrauen.«
»Ja, sicher«, flüsterte sie und versank in den Tiefen seiner dunklen Augen.
Er lächelte und küsste sie innig mit dem süßen Versprechen auf seinen Lippen. Dann ließ er sie ziehen.
Als Reine mit schnellem Schritt auf die Stufen zuging, die zu Außenküche führten, fühlte sie, wie sich ihr die Kehle zuschnürte und es ihr schwer wurde ums Herz. Ihr war klar, dass sie gelogen hatte, denn ihm Vertrauen zu schenken, war das Letzte, was sie sich jetzt leisten konnte.
Elftes Kapitel
Aus dem nahe gelegenen Stall war plötzlich ein unterdrückter Schrei, gefolgt von verzweifeltem Protestieren, zu hören. Christien riss so heftig an den Zügeln seines Rappen, dass dieser ungehalten noch einige Schritte wild am Begrenzungszaun des Weges entlangtänzelte, bevor er zum Stehen kam. Nach dem hysterischen Anfall von Madame Cassard, als sie gestern früh Reine in seinem Schlafzimmer vorfand, war er aufs Höchste alarmiert und sah sich wohl oder übel gezwungen, nachzusehen, was nun schon wieder passiert war. Ob es sich wirklich wieder um die alte Dame handelte, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Der Schrei hätte auch von Reine oder Marguerite sein können. Das schien in der Tat auch wahrscheinlicher, denn Madame Cassard verließ nur äußerst selten das Haus.
Das Stimmengewirr, bestehend aus einer weiblichen und einer laut tönenden, schroffen männlichen, kam vom großen Scheunentor, also aus dem Teil des Stalles, wo man die Kutschen einstellte. Aus der zarten Stimme war nun eindeutig auch Angst herauszuhören, was Christien sofort zum Handeln veranlasste. Mit leichtem Druck auf die Schenkel, dirigierte er sein Pferd mit Galopp auf den Stall zu. Beim Durchreiten des Scheunentors duckte er sich ein wenig und sah, aus der gleißenden Sonne kommend, im Halbdunkel der Stallungen erst einmal gar nichts.
Mit zusammengekniffenen Augen, die sich nur langsam an die weitgehend lichtlose Umgebung gewöhn-ten, sah er zunächst nur den Schatten einer Kutsche, einige Boxen für die Pferde, an den Haken dazugehöriges Geschirr, Sattel- und Zaumzeug und in der Ecke einen großen Heuhaufen. Ein einfallender Sonnenstrahl warf fahles Licht auf eine Katze, die ihre Pfoten leckte, und auf ein Huhn, das aufgeregt hin und her stakste. Die Luft schien zum Schneiden dick, erfüllt vom Geruch des Heus, altem Leder, vertrocknetem Mist und Staub.
Eine flüchtige Bewegung am Ende des Heuhaufens erregte schließlich seine Aufmerksamkeit. Langsam erkannte er zwei Personen, die miteinander kämpften und sich herumwälzten; ein weißer Mann, in grobes Arbeitsgewand gekleidet, und eine junge, schwarze Frau, offensichtlich eine Küchenhilfe. Christien konnte nun erkennen, wie der ältere, grobschlächtige Mann rittlings auf der Frau saß, während diese, mit bereits bis zur Hüfte gelüftetem Rock und zerknitterter Schürze, ihn wegzudrücken versuchte.
»Sie da!«, fuhr Christien den Mann in harschem Ton an. »Lassen Sie die Frau los und kommen Sie heraus, damit ich Sie sehen kann.«
Der Mann fluchte und stieg von der Frau herunter, um sich dann langsam aufzurappeln. Das Mädchen richtete eilends ihr Kleid und kletterte dann schluchzend von dem Heuhaufen herab. Unten angekommen, griff sie den umgestürzten Korb auf und sammelte die herausgefallenen Eier ein, ohne dabei die bereits zerbrochenen zu beachten. Mit einem dankbaren Blick aus ihren weit aufgerissenen Augen in Richtung Christien flüchtete sie durch das offene
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