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Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)

Titel: Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Smith-Ready
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ganze Nacht Wache gehalten, vor Sonnenaufgang gejagt und dann bis zur Dämmerung Holz gehackt hatte. In den fünf Tagen seit dem Angriff hatten die Kalindonier die Häuser aller verbliebenen Dorfbewohner repariert, von denen es jetzt nur noch hundert gab. Am folgenden Tag würden sie damit beginnen, einen neuen Stall mit Gatter zu bauen. Niemand wollte sich dem alten und den schrecklichen Erinnerungen mehr nähern.
    Rhia lag stundenlang wach und lauschte den Toten, konnte zwischen den wirren Geräuschen aber keine einzelnen Worte ausmachen. Sie massierte sich die Schläfen, um den dumpfenSchmerz hinter den Augen zu lindern. Wenn sie mit jenen, die dahingeschieden waren, reden könnte, wäre sie vielleicht in der Lage, ihnen beim Übertritt auf die andere Seite zu helfen.
    Sie musste es versuchen, oder sie würde wahnsinnig werden. Rhia stieg vorsichtig aus dem Bett, doch sie machte sich nicht die Mühe, leise zu sein, denn Marek hörte sie in jedem Fall.
    „Wohin gehst du?“, murmelte er.
    „Zu Coranna, Kamille holen.“
    „Ich hole sie dir.“
    „Sie hätte es lieber, wenn ich mich, während sie schläft, bei ihr einschleiche, nicht du.“
    „Mich wird sie nicht hören.“
    „Das Kind braucht frische Luft.“
    Er erhob keine Einwände. Draußen trat sie geräuschlos über die Brücke aus Seilen. Die wolkige Nacht war stockfinster, aber sie wusste, welche Balken sie auslassen musste, um ungewolltes Knarren zu vermeiden. Sie hob den rostigen Riegel an Corannas Tür, rüttelte daran, um ihn zu lockern, und griff dann hinein, um die hängende Türglocke verstummen zu lassen.
    Rhia kroch an der Wand mit Corannas Kräuterregalen entlang. Nur durch Tasten fand sie das Tongefäß mit Kamille und nahm es an sich, um nicht als Lügner dazustehen. Dann fuhr sie mit den Fingern über das höchste Regal, bis sie eine glatte Holzschachtel fand, die etwa so lang war wie ihr Fuß. Sie zog die Schachtel herab und öffnete sie.
    In ihrem Inneren befand sich ein weißes Tuch. Sie drückte es, um sicherzugehen, dass das Bündel getrockneter Kräuter noch darin lag. Coranna hatte es benutzt, um mit den Toten zu sprechen – Thanapras nannte es sich.
    Vorsichtig roch Rhia an dem Bündel. Der berauschende Duft machte sie sofort benommen. Sie dachte an ihr Kind und fragte sich, wie das Thanapras sich auf ihn oder sie auswirken würde. Vielleicht war es gefährlich.
    Sie seufzte, schloss die Schachtel wieder und stellte sie etwas zu laut auf das obere Regal zurück.
    Corannas Schnarchen verstummte. „Wer ist da?“
    „Ich bin es“, sagte Rhia. „Ich konnte nicht schlafen, deshalb habe ich mir Kamille geholt.“
    Coranna drehte sich in ihrem Bett. „Wie kommt es, dass du nicht schlafen kannst? Du solltest vollkommen erschöpft sein.“
    „Hörst du sie nicht?“
    „Wen?“
    „Die Toten. Die wir gerade erst beerdigt haben.“
    Coranna setzte sich auf, oder wenigstens hörte es sich so an. „Du hörst Stimmen? Stimmen, die du erkennst?“
    „Nein.“
    „Woher weißt du dann, wer es ist?“
    „Wer sollte es sonst sein? Sie sind gewaltsam gestorben, und sie müssen Gerechtigkeit wollen, wie Etar es getan hat.“
    „Wahrscheinlich hast du recht.“ Corannas Stimme klang gedämpft, und Rhia erinnerte sich, wie betroffen die ältere Krähe gewesen war, als ihr Freund Etar gestorben und bei ihr geblieben war, statt friedlich zu ruhen. Er war erst auf die andere Seite getreten, nachdem Coranna ihn überzeugt hatte, dass sie herausfinden würden, wer ihn ermordet hatte. „Aber ihre Mörder sind weit weg. Vielleicht bekommen sie nie Gerechtigkeit.“
    Rhia tastete sich unbeholfen zum Bett vor und stieß sich dabei den Knöchel an einem Stuhlbein. „Können wir ihnen wenigstens Frieden bringen? Sie überzeugen, auf die andere Seite zu treten?“
    „Es ist viel komplizierter.“ Coranna rutschte zur Seite, damit Rhia sich setzen konnte. „Manchmal, sehr selten, nimmt ein Mensch, wenn er stirbt, ein Stück der Seele eines Lebenden mit sich.“
    Rhia brauchte einen Augenblick, um sich noch einmal vorzusagen, was Coranna ihr gerade erzählt hatte. „Sie nehmen Seelenteile mit auf die andere Seite?“ Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken.
    „Nicht ganz“, erwiderte Coranna. „Krähe lässt die Seelendiebe nicht den ganzen Weg übertreten. Solche Grausamkeit würde sein friedliches Reich verunreinigen.“
    „Aber warum sollte jemand so etwas tun?“
    „Aus Bosheit, oft auch wegen eines Grolls oder aus gebrochenem

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