Im Zeichen des Schicksals
Sandra mit gespielter Traurigkeit. Missy und Elizabeth kicherten.
Großartig, ein Bündel schöner neuer Informationen für die Gerüchteküche der Thornton Academy. Ich ließ meinen Blick von Sandras unechtem Lächeln zu Ians undeutbarer Miene schweifen. Was er jetzt wohl von mir dachte?
»Das Ganze ist wirklich nichts Besonderes«, sagte ich im Bemühen, die Sache herunterzuspielen.
»Also, noch mal langsam: Du bist gar keine Verwandte von Josh?« Nick schaute erst zu mir, dann zu Josh.
»Nein, nein«, mischte sich Sandra ein. »Das ist nur die Geschichte, die er denen von der Schulbehörde erzählt hat. Josh hat sie bei sich aufgenommen. Er hatte schon immer ein Herz für Streuner.«
»Das reicht!« Josh sprang unvermittelt auf. »Celine, willst du einen Nachtisch?« Ohne auf Sandras entrüstetes Schnauben zu achten, streckte er mir die Hand hin. Ich hätte erleichtert sein sollen, dass mir eine Fluchtmöglichkeit geboten wurde, doch ich war es nicht. Die ganze Schule würde erfahren, dass ich eine wandelnde Anomalie war. Auch wenn es nicht stimmte; jedenfalls nicht ganz. Ians Augen trafen sich mit meinen, als ich nun hinter Josh vom Tisch wegging. Sein Blick war eindringlich, vielleicht auch ein wenig verärgert. Würde er die Gerüchte über mich weiterverbreiten?
Knapp auf halber Strecke zum Dessertbuffet blieb Josh stehen. »Das mit Sandra tut mir leid, ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Sie ist normalerweise nicht so …«, er schaute zum Tisch zurück, und die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich, »… hässlich.«
»Ich bin mir sicher, dass sie es nicht so gemeint hat.« Tatsächlich war ich mir absolut sicher, dass sie es ganz genau so gemeint hatte, aber ich wollte nicht für noch mehr Unmut sorgen, und so zwang ich ein Lächeln auf meine Lippen. »Die Leute hätten es früher oder später sowieso rausgefunden.«
»Quatsch, hätten sie nie«, knurrte Josh. »Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist, aber niemand an diesem Tisch wird das weitererzählen. Nicht, solange ich ein Wörtchen mitzureden habe. Und selbst wenn die Schulleitung davon Wind bekommt, ist es nur ein Gerücht. Sie werden es nicht wagen, womöglich meinen Onkel zu verärgern, indem sie der Angelegenheit Glauben schenken.«
Ich wusste nicht, wie ich auf den Zorn in seiner Stimme reagieren sollte, daher schwieg ich. Genau in dem Moment sah ich, wie uns eine Hand winkte.
»Da ist Melissa«, seufzte ich erleichtert. »Ich würde mich gern für ein Weilchen zu ihr setzen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Klar doch. Ich sollte jetzt besser an den Tisch zurückgehen.« Josh lächelte, doch seine Augen blieben davon unberührt. Ich nahm an, dass ihm jetzt ein unangenehmes Gespräch mit Sandra bevorstand. Was unweigerlich zur Folge haben würde, dass sie mich noch weniger mochte. Verdammter Mist.
Melissa wirkte ganz aufgeregt, als ich an ihren Tisch trat. Sie hatte die Jacke ihrer Schuluniform ausgezogen und sich die Ärmel ihrer weißen Bluse aufgekrempelt. Aus ihrem unordentlichen Haarknoten ragten zwei Bleistifte.
»Also, Peterson, hm?« Sie zwinkerte mir zu. Ich setzte mich zu ihr.
»Nicht du auch noch!« War denn gar nichts anderes an der Thornton Academy passiert?
Sie lachte über meine Frustriertheit. »Willkommen in der größten Gerüchteküche der Welt.«
»Das kapiere ich jetzt auch langsam«, erwiderte ich und schaute zu den Fenstern hinüber. Josh war wieder am Tisch, und es sah aus, als hörten alle ihm zu. Alle bis auf Ian, der nirgends zu sehen war. Wie lange würde es dauern, bis sich die Nachricht über meine Erinnerungsstörung überall verbreitet hatte?
»Wie dem auch sei – das wird dir sicher gefallen!«, begann Melissa und wühlte in ihrem Rucksack. Während ich ihr dabei zusah, fiel mir auf, dass sie sich mit blauem Stift etwas direkt über dem rot-gelben Flechtarmband an ihrem linken Handgelenk auf die Haut geschrieben hatte. Es sah aus wie eine Gleichung.
»Hast du vor, in einem Mathetest zu mogeln?«, witzelte ich und deutete auf den blauen Klecks.
»Das? Das ist nur etwas für einen mathematischen Beweis, an dem ich gerade arbeite«, sagte sie, zog ein gelbes Taschenbuch aus dem Rucksack und schob das verstaubt wirkende Ding über den Tisch.
»Ein Beweis?« Ich griff nach dem Buch. »Du hast mir noch gar nicht erzählt, dass du ein Mathegenie bist!«
Melissa zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, ob ich ein Genie bin, aber es ist jedenfalls der Grund, warum sie mir das
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