Im Zwielicht der Gefühle (German Edition)
vermisst.“ Er unterdrückte ein breites Grinsen, als er sah, dass Ranulf wie ein Schutzschild vor Valandra stand, um sie vor den neugierigen Blicken ihrer Bewerber zu verbergen.
Kasim bot Dalvina galant den Arm. „Darf ich Euch zu Tisch geleiten?“
Sie nickte huldvoll und hakte sich bei ihm unter.
Nun blieb Ranulf gar keine andere Wahl, als Valandra ebenfalls zu ihren Gästen zu führen. Er tat es ungewöhnlich steif und mit verschlossener Miene. Als sie den Tisch erreichten, erhoben sich die vier Männer und begrüssten die Damen standesgemäss. Allen voran Lord Greystone. Er war ein stattlicher, hoch gewachsener Mann mittleren Alters. Man konnte ihn durchaus als attraktiv bezeichnen. Mit dem tiefschwarzen Haar, den markanten Gesichtszügen und den grünen Augen wirkte er, als wäre er geradewegs einem Ölgemälde entsprungen. Dennoch fand Valandra seine Überheblichkeit vom ersten Augenblick an abstoßend.
Danach stellte sich Lord McSpermit vor. Er schien kaum älter als Valandra selbst zu sein und wirkte irgendwie kränklich und eingeschüchtert. Lord Stafford erinnerte an einen Gelehrten, der zu viel Zeit mit seinen Büchern und zu wenig Stunden in der freien Natur verbracht hatte: hager, blass und irgendwie weltfremd. Da war Lord Spencer, der Letzte im Bunde, eine wesentlich angenehmere Erscheinung. Er war ein blonder Adonis, Anfang Zwanzig und strotzte nur so vor Kraft und Lebensfreude.
Valandra schenkte jedem von ihnen ein Lächeln und ließ sich von Ranulf den Stuhl zurechtrücken.
„Meine Herren, wir bitten untertänigst für unsere Verspätung um Vergebung“, bat Dalvina charmant. „Unsere liebe Frau Mutter liegt krank darnieder, und wir wollten uns vor dem Abendmahl davon überzeugen, dass es ihr an nichts mangelt.“
Die Männer bekundeten einstimmig ihr Verständnis und lobten ihre Fürsorge in den höchsten Tönen.
„Da wir nun endlich vollzählig sind, können wir wohl essen“, knurrte Ranulf verdrießlich. Auf sein Zeichen hin eilte die Dienerschaft herbei und trug Platte um Platte von den köstlichsten Speisen auf. Es gab knusprig gebratene Rebhühner an Preiselbeersauce, gegarte Kaninchenkeulen, zarte Kalbsfilets im Teig und so viele verschiedene Gemüsebeilagen, dass Valandra am liebsten mit den Zähnen geknirscht hätte. Sie hasste Verschwendung! Insbesondere, wenn es sich dabei um Lebensmittel handelte.
Zumindest schienen ihre Gäste von ihrer großzügigen Gastfreundschaft sehr angetan zu sein, und da sie es sowieso nicht mehr rückgängig machen konnte, beschloss sie, eine gute Miene zum bösen Spiel aufzusetzen.
Die Mahlzeit verlief in erstaunlich angeregter und heiterer Atmosphäre. Nach einiger Zeit gelang es Valandra sogar, sich zu entspannen und den Abend richtig zu genießen. Sie gab einige witzige Episoden aus dem Burgalltag zum Besten und erntete dafür heftiges Gelächter und Anerkennung. Sie fühlte sich geschmeichelt. Noch nie hatte ihr das männliche Geschlecht so viel Aufmerksamkeit gegönnt.
Natürlich war sie sich bewusst, dass diese übereifrigen Junggesellen nicht wirklich an ihr, sondern vielmehr an Walkmoor und ihrer ansehnlichen Mitgift interessiert waren. Dennoch genoss sie die ungewohnte Galanterie, fühlte sie sich nach den qualvollen Tagen und Nächten, die sie nun schon unter Ranulfs kaltherziger Zurückweisung litt, doch wie Balsam an.
Was sie jedoch wirklich ungemein freute, ja, was sie geradezu berauschte, war Ranulfs üble Laune.
Wann immer sie ein Kompliment für ihr Aussehen, ihren Charme oder ihren erfrischenden Humor erhielt, vernahm sie sein missmutiges Knurren neben sich. Sie wagte nicht zu hoffen, dass es Eifersucht war. Nein, sie hatte ihre Lektion bitter gelernt. So dumm war sie nicht mehr. Sie vermutete eher, dass er sich in seiner männlichen Eitelkeit verletzt fühlte. Bestimmt hatte er erwartet, dass sie sich in ihrem Gemach einschließen und sich die Seele aus dem Leib weinen würde. Es hätte ihm bestimmt geschmeichelt, wenn sie vor Sehnsucht nach ihm ganz krank geworden wäre.
Valandra ignorierte die boshafte kleine Stimme in ihrem Ohr. Sie wusste selbst, dass genau dies zutraf. Ihr Herz weinte noch immer um eine Liebe, die es nicht gab, um eine Zukunft und ein Glück, das ihr versagt blieb. Aber dank Dalvinas Hilfe würde Ranulf dies nie erfahren. Diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen. Sollte er sich doch grün und blau ärgern!
Ranulf lehnte sich missmutig im Lordstuhl zurück und bemühte sich, entspannt zu
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