Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
die sie zu Legenden machten.« Als er mich endlich ansah, war an die Stelle seiner Verbitterung Trauer getreten. »Und in den Tempeln, wo die Menschen beteten und Opfer brachten, da waren auch die Götter anwesend, ja schon. Aber nur für die empfängliche Art von Häuten .«
    Ich ließ seinen Arm nicht los, doch seine Knochen und Muskeln fühlten sich plötzlich spröde an. Ich spürte mein Mitgefühl im ganzen Körper. »So, wie du das sagst, klingt es, als wären Menschen nur Vieh.«

    »Sie essen Vieh. Mit ihnen spielt man nicht. Menschen ähneln eher Puppen. Man sieht sie an und schubst sie herum. Sie dienen einem Experiment mit endlosen Variationen.«
    »Das meinst du nicht ernst.«
    »Früher einmal habe ich es sehr ernst gemeint.« Jacks Blick wurde tödlich und kalt, seine Augen funkelten hohl. Dann drehte er den Kopf herum und starrte in den dunklen Wald. »Man kann uns töten, Liebes. Meine Spezies ist nicht wirklich unsterblich. Allerdings sind wir schwer umzubringen, deshalb haben wir Tod und Träume bei Weitem überlebt. Wir haben sogar die geistige Gesundheit überlebt. Und Kreaturen wie wir, die beinahe nur durch Energie und Gedanken existieren, hatten immer die Aufgabe, bei Verstand zu bleiben. Das war eine so allumfassende Beschäftigung, dass du es kaum verstehen würdest.«
    »Ich war in der Ödnis«, erwiderte ich und verspürte eine andere Art von Kälte. »Ich glaube, ich ahne sehr gut, was du meinst.«
    Jack wollte sich von mir lösen, aber ich hielt ihn fest. Die Straße ist rutschig, redete ich mir als Grund ein. Der Schnee reichte bis zu unseren Knöcheln, und die Kälte drang durch meine Cowboystiefel. Zee lief voraus, während Rohw und Aaz die Nachhut bildeten. Ich hörte Eulen rufen und trockene Zweige rascheln, als uns ein leichter Windstoß eiskalte Luft zuwehte. Ich erschauerte. Dek und Mal wärmten mir mit ihrem Atem die Ohren, aber Jacks Atem rasselte in seiner Brust, und ich schnippte nach Zee.
    Der kleine Dämon blieb stehen und warf einen Blick über die Schulter, sah von mir zu dem alten Mann und tauchte dann seitlich ins Dunkel ab. Im nächsten Augenblick war er verschwunden.

    »Wir haben Menschen gefunden«, fuhr Jack fort. »Und wir fanden heraus, dass wir bei Verstand blieben, wenn wir in ihren Körpern hausten. Fürs Erste hatte das genügt.«
    »Ihr habt Spiele mit ihrem Leben gespielt, ihr habt euch amüsiert.«
    »Wir haben uns in Haarspaltereien geflüchtet«, gab er flüsternd zu. »Bis wir eines Tages unsere Lügen selbst geglaubt haben.«
    Zee tauchte wieder auf, mit einem kleinen Bündel im Arm. Darin waren zwei Wärmflaschen mit heißem Wasser, zwei Mützen mit Ohrenklappen und ein paar Wollhandschuhe für Jack. Der alte Mann schob die Wärmflasche unter seine Jacke und seufzte. Ich setzte ihm die Mütze auf und half ihm, die Ohrenklappen festzubinden, weil seine Hände sich weigerten, ihre gekrümmte Haltung aufzugeben. Dann streifte ich ihm die Fäustlinge über und zuckte erschreckt zusammen, als seine Lippen meine Stirn streiften.
    »Liebes Mädchen«, sagte er sanft. »Du hattest recht… damals, als du uns mit den Dämonen auf eine Stufe gestellt hast.«
    Ich konnte ihn nicht ansehen. Ich schüttelte nur den Kopf, nahm seinen Arm, und dann gingen wir weiter. »Empfindest du den Menschen gegenüber immer noch so?«, fragte ich schließlich nach einer Pause.
    »Nein. Viele von uns haben ihre Meinung über sie geändert.«
    »Gibt es noch viele, die das nicht getan haben?«
    »Genau so viele.« Sein Atem bildete weiße Wolken im Mondlicht. »Vor allem jene, die ohne ihre Rafferspiele und die Duldung der Experimente mit dem Göttlichen Organischen ihre Zweifel hatten, bei Verstand bleiben zu können. Dieser interne Disput wurde während des Krieges gegen die Dämonen
auf Eis gelegt - und danach, als viele von meiner Spezies diese Welt verließen, um ihre Wunden zu lecken, erübrigte sich eine Diskussion über dieses Thema. Diejenigen von uns, die hierblieben, waren geneigt, den Menschen zu helfen, die es geschafft hatten, die verheerenden Folgen des Krieges zu überleben. Und die dabei halfen, Ausbrüche aus dem Gefängnisschleier zu verhindern.«
    Der Mond verschwand hinter den Bäumen. Zee tauchte in den Wald ab, und Rohw nahm seinen Platz ein. Er drückte die Nase tief über den Boden, die Baseballkappe in den Nacken geschoben. Die rasiermesserscharfen Dornen seines Haars drangen durch das Material, und die scharfen Spitzen seines Rückgrats bogen sich. Dek

Weitere Kostenlose Bücher