In den Armen des Freibeuters: Erst wies sie ihn ab - doch dann entflammte seine Leidenschaft ihr Herz (German Edition)
zurück auf den kleiner werdenden Hafen. Ihre Eltern und Geschwister standen neben Vanessa und Robert am Ufer und winkten. Ihre Mutter hatte geweint, und sogar ihr Vater hatte Tränen in den Augen gehabt. Jessica war so traurig geworden, dass sie am liebsten ihre Reisekiste wieder von Bord geholt und daheimgeblieben wäre, und nur ein Blick in Martins ernstes Gesicht und der trotzige Gedanke an Jack hatten sie davon abgehalten.
Außerdem war Martin nicht der Einzige, der ihr auf dieser Reise zur Seite stand und ihr Sicherheit gab. Denn neben ihr an der Reling lehnte niemand anders als Alberta Finnegan. Jessica hatte es kaum fassen können, als Alberta ihre Teilnahme an dem Unternehmen verkündet hatte. Sie konnte es jetzt noch nicht glauben und tastete unwillkürlich nach der kräftigen Hand ihrer Tante, die ruhig auf der Reling lag. Alberta sah sie erstaunt an, dann verzog sie das Gesicht zu ihrem für sie so typischen Lächeln und legte ihre andere Hand über Jessicas eiskalte, um sie beruhigend zu drücken.
Ihre Eltern hatten Jessicas Eröffnung, dass sie nach Ostindien reisen wollte, mit entschiedener Ablehnung aufgenommen. Sie wussten von der zarten Romanze zwischen Charles und ihr und dessen Einladung nach Kalkutta. Aber weder ihrer Mutter noch ihrem Vater hatte die Aussicht gefallen, ihre Tochter auf einer monatelangen, gefährlichen Reise zu wissen und sie dann möglicherweise auch noch an einen in Kalkutta sitzenden Engländer zu verlieren. Philipps Begeisterung für diesen Plan und seine Entschlossenheit, Jessica zu begleiten und zu beschützen, hatte die Ablehnung noch untermauert. Es war schon schlimm genug, wenn Jessica Hirngespinsten nachjagte, da musste nicht auch noch ihr Bruder auf die Idee kommen, ebenfalls Hals über Kopf mitzureisen. Nicht einmal Vanessas Unterstützung hatte an dieser Antwort etwas geändert, auch nicht die Tatsache, dass Martin dabei war und ein wachsames Auge auf Jessica haben würde. Auch nicht der Umstand, dass Jessica in Kalkutta unter dem Schutz von Vanessas Vetter, Sir Percival, und dessen Gattin leben würde, hatte etwas genützt. Erst Tante Alberta hatte den Ausschlag gegeben.
Diese war lange Zeit stumm danebengesessen, hatte jedoch den Blick nicht von Jessica abgewandt, deren Miene abwechselnd Bitten, Verzweiflung, Ärger und endlich trotzige Entschlossenheit widergespiegelt hatte. Das war der Moment gewesen, in dem Alberta ihre Stimme erhoben hatte.
»Und ich«, hatte sie gesagt, »bin ja schließlich auch noch da. Die Reise lasse ich mir nicht entgehen! Ostindien! Warum sollen immer nur die Männer den Spaß haben? Mein Alter hat sich auch auf See vergnügt, und ich bin daheimgehockt und habe mich gefragt, wie es da draußen wohl so ist. Wenn das Kindchen reisen will, dann soll es auch.« Als Finnegan widersprechen wollte, hatte sie nur die Hand gehoben. »Den Haifisch oder den Piraten möchte ich sehen, der Jessica etwas antut, wenn ich dabei bin. Und soweit ich gehört habe, geht es dort nicht unzivilisierter zu als bei uns. Die Reise wird ihr nicht schaden. Sie wäre nicht die einzige junge Lady, die Verwandte in Ostindien besucht. Viele Töchter, Schwestern und Frauen der Offiziere oder Angestellten der East India Company machen die Reise sogar mehrmals.«
Und jetzt war Jessica also auf dem Schiff, und Martin und Alberta standen neben ihr. Sie schluckte zwar noch ein paar Tränen des Abschiedsschmerzes hinunter, besonders als sie sah, wie schnell ihre Lieben kleiner wurden, aber dann atmete sie tief durch.
Sie war unterwegs.
Kapitel 10
E ine knappe Woche nach Jacks Gefangennahme stieß Rochards kleine, zweimastige Sloop auf einen englischen Freibeuter.
Jack war an Deck und arbeitete an einem Tau, als der Mann im Ausguck Alarm gab. Im nächsten Moment herrschte ein Durcheinander, wie Jack es auf seinem Schiff niemals geduldet hätte. Alle sich an Deck befindlichen Männer liefen zur Backbordseite, wo die Segel gesichtet worden waren. Jack erhob sich und sah ebenfalls hinüber. Der Mann im Ausguck musste geschlafen haben, denn das andere Schiff war schon so nahe, dass man seine Bugwelle erkennen konnte. Es war eine Fregatte. Sekundenlang hoffte Jack, es wäre die Tuesday auf der Suche nach ihm, aber dann sah er, dass es sich um ein fremdes Schiff handelte, auf dem noch dazu die englische Flagge wehte. Der Kurs des Engländers verlief parallel zu ihrem, sie hatten alle Segel gesetzt, und es war klar, dass sie der Sloop den Weg abschneiden wollten.
Rochard
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