In den Fängen der Macht
Waffen Mangelware geworden zu sein, und es wurden Höchstpreise dafür verlangt. Hester wusste, dass Menschen angesichts ihres bevorstehenden Ruins zu Verzweiflungstaten fähig waren, nicht so sehr wegen des Verlustes materieller Güter, sondern wegen der Scham über den geschäftlichen Misserfolg.
»Ich danke Ihnen, Mr. Casbolt. Sie waren sehr freundlich, mir so viel von Ihrer Zeit zu gewähren.«
»Mrs. Monk, bitte verfolgen Sie diesen Gedanken nicht weiter. Ich kannte Daniel Alberton besser als irgendein anderer Mensch, in mancherlei Beziehung vielleicht sogar besser, als es seine Frau tat. Nichts in der Welt hätte ihn dazu bringen können, Waffen an Piraten zu verkaufen, am wenigsten an die im Mittelmeer. Sie kennen Judith. Sie müssen einen Eindruck bekommen haben, welch bemerkenswerte Frau sie ist, wie… wie…« Sein Gesicht offenbarte, dass er keine Worte fand, die die Qualitäten beschreiben könnten, die er in ihr sah. »Daniel betete sie an!«, sagte er, wobei seine Stimme bebte. »Lieber hätte er sein Leben im Schuldenkerker ausgehaucht, als ihr Vertrauen durch einen derartigen Handel zu enttäuschen.
Er war ein höchst ehrenhafter Mann… und sie liebte ihn dafür. Er… es fällt mir sehr schwer, das zu sagen, Mrs. Monk.« Er schüttelte den Kopf bei seinen Worten.
»Er war keiner großen Leidenschaft fähig, besaß vielleicht auch nicht die größte Intelligenz oder immense Vorstellungsgaben… aber er war ein Mann, dem man alles und jedes, was man besaß, anvertrauen konnte. Spürten Sie das nicht selbst, sogar in der kurzen Zeit, als Sie ihn erlebten?« Sein Lächeln war schmerzverzerrt, und seine Qualen schienen den Raum zu erfüllen. »Oder meine ich nur, Sie hätten in wenigen Stunden das erkennen müssen, was ich in einem halben Leben erkannt habe?«
Sie schämte sich für ihre Gedanken, so wie sie sich auch dafür schämte, sich erlaubt zu haben, sie so freimütig geäußert zu haben.
»Ich denke, es wird sich als so absurd herausstellen, wie Sie es sagen.« Nicht die Worte an sich, aber ihr Tonfall ließ es wie eine halbe Entschuldigung klingen. »Vielleicht würden wir zu einer Lösung kommen, wenn wir Mr. Shearer fänden.«
Für einen Augenblick zeichnete sich eine sonderbare Bitterkeit auf seinem Gesicht ab, dann war sie wieder verschwunden.
»Ich zweifle nicht daran, dass das wahr ist. Wer weiß schon, welche Begierden einen Mann dazu treiben, jene zu betrügen, die ihm Vertrauen schenken? Bitte, tun Sie einfach etwas, um Merrit zu retten, Mrs. Monk, um Judiths willen. Das ist etwas, was ich nicht kann.« Er schluckte. »Ich verfüge nicht über das Geschick. Ich kann mich auf vielerlei Arten um sie kümmern und um die geschäftlichen Angelegenheiten, ich kann dafür sorgen, dass sie versorgt ist und stets den Respekt der Gesellschaft genießen wird. Aber…«
»Selbstverständlich«, versprach Hester hastig und erhob sich.
»Ich werde es auch um Merrits willen tun. Während wir auf dem Schlachtfeld waren, arbeiteten wir eine Zeit lang Seite an Seite. Ich habe ihre Tapferkeit kennen gelernt. Und ich habe sie ins Herz geschlossen.«
Er entspannte sich ein wenig. »Ich danke Ihnen«, sagte er leise und erhob sich nun ebenfalls. »Ich bete zu Gott, Monk möge Shearer finden oder wenigstens einen Beweis für seine Rolle in dem Verbrechen.«
Als sie mit Monk über ihre Überlegungen sprach, fand er die Idee abstoßend, Alberton könnte insgeheim Waffen an Piraten verkauft haben, dennoch war er verpflichtet, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Sie bemerkte das schmerzerfüllte Zucken in seinem Gesicht, als sie bei Mrs. Patricks exzellent gekochtem Abendessen saßen, welches ein Rhabarberkuchen krönte, dessen Teig auf der Zunge zerschmolz.
Sie sah die Düsternis in seinen Zügen, die sie auch am vorangegangenen Abend bemerkt hatte, und sie fragte sich, ob ihn eben diese Angst bereits geplagt hatte und er es nur nicht hatte aussprechen wollen. Er hatte Alberton instinktiv gemocht, mehr als die meisten anderen Klienten, und sein Tod hatte ein Gefühl des Verlustes und der Wut hinterlassen. Aber es gab keinen Weg, den Gedanken beiseite zu schieben. Nur die Wahrheit konnte ihn bannen … vielleicht.
»Was sagte Casbolt?«, fragte er.
»Er leugnete die Möglichkeit und behauptete, Alberton hätte Judith angebetet und wäre lieber in den Schuldenkerker gegangen, als mit Piraten Geschäfte zu machen.« Zögernd hielt sie inne.
»Aber…«, hakte er nach.
»Aber er war Albertons
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