In den Fängen der Macht
operieren.« Seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, bis seine Fingerknöchel sich weiß abzeichneten. »Was sie nicht wissen dürften, Mr. Monk, ist, dass meine Frau Halbitalienerin ist.« Er warf einen kurzen Blick auf Casbolt. »Ich denke, es wurde beim Dinner erwähnt. Ihr Bruder, dessen Frau und Kinder wurden vor der Küste Siziliens auf See ermordet… von Piraten. Sie werden verstehen, warum es mir unmöglich ist, ihnen unter diesen Umständen Waffen zu liefern.«
»Ja… ja, natürlich verstehe ich das«, antwortete Monk mitfühlend. »Es ist nie gut, einen Erpresser zu bezahlen, aber unter diesen Umständen ist es doppelt unmöglich. Wenn Sie mir alle Informationen geben, über die Sie verfügen, werde ich alles tun, um herauszufinden, wer Sie bedroht, und werde die Sache regeln. Vielleicht kann ich einen Beweis finden, dass Ihr Geldgeschenk nichts weiter als Erbarmen war, dann haben sie keine Waffe mehr gegen Sie in der Hand. Andererseits können wir dieselbe Waffe vielleicht gegen sie benutzen. Ich nehme an, Sie wären einverstanden, wenn ich das täte?«
Alberton sog den Atem ein.
»Ja«, erwiderte Casbolt, ohne zu zögern. »Natürlich. Verzeihen Sie, aber wir mussten uns erst ein Urteil über Ihre Bereitschaft bilden, einen schwierigen und vielleicht sogar gefährlichen Fall zu einem Abschluss zu bringen und für die Gerechtigkeit zu kämpfen, wenn sich alles gegen einen verschworen zu haben scheint. Daher habe ich Sie an diesem Abend so viel über Sie selbst gefragt, bevor Sie den Grund dafür erkennen konnten. Auch wünschte ich zu erfahren, ob Sie den Weitblick hätten, einen Fall in größeren Zusammenhängen zu sehen, als nur dem Buchstaben des Gesetzes Genüge zu tun.«
Monk lächelte ein wenig verzerrt. Auch er glaubte wenigen Menschen aufs Wort. »Wenn Sie mir nun erzählen wollten, wie man mit Ihnen Kontakt aufnahm und was Sie alles über Alexander Gilmer wissen, über sein Leben und über seinen Tod«, erwiderte er, »dann könnte ich morgen früh beginnen. Wenn sie wieder mit Ihnen Kontakt aufnehmen, halten Sie sie hin. Sagen Sie ihnen, Sie müssten zunächst gewisse Arrangements treffen und würden sich bereits darum kümmern.«
»Ich danke Ihnen.« Zum ersten Mal, seit Alberton auf das Thema zu sprechen gekommen war, entspannte er sich nun ein wenig. »Ich bin Ihnen zutiefst verpflichtet. Nun müssen wir uns noch über die finanziellen Vereinbarungen unterhalten.«
Casbolt streckte seine Hand aus. »Ich danke Ihnen, Monk. Ich glaube, jetzt haben wir Grund zur Hoffnung.«
2
Auf dem Heimweg von Albertons Haus hatte Monk Hester den Fall beschrieben. Sie war völlig eins mit ihm, dass er ihn übernommen hatte. Erpressung fand sie ebenso abscheulich wie er, und außerdem hatte sie Judith ins Herz geschlossen und war traurig, wenn sie daran dachte, welche Peinlichkeiten und welcher Schmerz der Familie verursacht werden könnten, wenn die Umstände von Albertons Hilfe für Alexander Gilmer einen Skandal verursachen würden.
Schon zeitig brach Monk zur Little Sutton Street in Clerkenwell auf, wo Gilmer laut Albertons Worten gestorben war. Es war erst acht Uhr, als er eilends in Richtung Tottenham Road ging, um dort einen Hansom zu nehmen. Aber die Straßen waren voll von allerlei Verkehr: Droschken, Karren, Last und Händlerwagen, den Straßenkarren von Gemüsehändlern und von Bettlern, die alles feilboten, von Zündhölzern und Schnürsenkeln bis zu Schinkenbroten und Limonade. Ein Straßensänger stand, von einer kleinen Menschenmenge umgeben, an der Ecke und sang ungehobelte Knittelverse über den neuesten politischen Skandal, mit denen er übermütige Lachsalven erntete. Jemand warf ihm eine Münze zu, die kurz in der Sonne blinkte, bevor er sie auffing.
Der melodische Ruf eines Lumpensammlers übertönte den Lärm der Hufe und das Rumpeln der Wagenräder auf dem holprigen Pflaster. Das Klimpern von Pferdegeschirr ertönte, als ein Brauereiwagen, beladen mit riesigen Fässern, vorbeifuhr. Die Luft war schwer von den Gerüchen von Staub, Pferdeschweiß und Dung.
Monk warf einen Blick auf die Schlagzeilen eines Zeitungsjungen, aber er entdeckte nichts über Amerika. Das Letzte, was er gehört hatte, war das Gerücht, dass die echte Invasion der Konföderierten Staaten erst im Herbst dieses Jahres stattfinden sollte. Mitte April hatte Präsident Lincoln die Schiffsblockade der Küste der Konföderierten von Süd-Carolina bis Texas proklamiert, später weitete er sie gar auf
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