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In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)

Titel: In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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Boden ein hellblaues Puzzle aus weichen Bodenmatten.
    »Du trainierst viel, oder?« fragte ich abwesend und dachte an die dumpfen Schlaggeräusche, die ich durch die Wand gehört hatte. »Ich hatte gedacht...«
    »Was?« Meine Retterin lehnte sich leicht gegen den Sandsack und blickte mich an.
    »Nichts«, antwortete ich und sah verlegen auf meine Füße. »Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt.«
    »Ich war in der Nähe«, erwiderte sie bescheiden.
    Meine Augen glitten langsam über kleine silberne Pokale und Medaillen. Fotos, die Tina in kleinen und großen Gruppen anderer Sportler und Kämpfer präsentierten — zumeist in asiatischen Kimonos, statisch wie eine Schulklasse vor der Kamera stehend. Doch auf manchen Bildern war sie inmitten von Wettkämpfen zu sehen, mit ähnlich uniformierten Gegnern und konzentriert wirkenden Schiedsrichtern. Ein Foto zeigte nur Tina alleine. In der Luft levitierend wie ein Satellit, erstarrt im Sprung — das Bein einem imaginären Ziel entgegengestreckt. Diese Frau warf sicher nicht Porzellan durch die Wohnung, wenn sie mal sauer war.
    »Und was ist es, das du machst?« fragte ich, während ich die Bilderwand entlangging.
    »Win Tsun, Escrima und Taekwon-Do«, rief sie aus der Küche. Ich sah sie dort zwei massive Gläser aus dem Regal nehmen. »Eigentlich trinke ich keinen Alkohol, also machen wir das hier nur symbolisch.«
    Sie goss einen Schuss Wodka in die Gläser und füllte mit Orangensaft nach.
    In einer Ecke des Raums entdeckte ich das Schwert. Es lag in einer schwarzen Halterung aus lackiertem Holz auf einem kleinen Tisch, zusammen mit dem kürzeren Bruder, der ebenfalls in einer karminroten, verzierten Scheide steckte.
    Sie war inzwischen wieder ins Wohnzimmer gekommen und beobachtete mich.
    »Am längsten mache ich aber Kendo«, sagte sie. Ich entdeckte neben dem Schwert einen Korb auf dem Boden, in dem sich fünf oder sechs Holzschwerter befanden. »Ich habe mit vier Jahren angefangen. Ich war schon als Kind nicht schmächtig genug fürs Ballett.«
    Das hier war sicherlich einer dieser Augenblicke, an dem die Regeln des Dramas von mir verlangten, dass ich mich lächerlich machte, das Schwert in die Hand nahm, es aus seiner roten Scheide zog, um damit albern herumzufuchteln — bis sie es mir wieder abnahm und mich auf meinen Platz wies. Doch nach dieser Regel wollte ich nicht spielen. Meine Hände zitterten noch, so dass ich mir vermutlich nur die Halsschlagadern durchgeschnitten hätte. Ich konnte mir auch denken, wie besessen die Besitzerin eines derartigen Schwerts ist. Ich wollte das Ding unter keinen Umständen anfassen!
    Auf einem kleinen Arbeitstisch sah ich geschmackvolles Papier und einige kleine Behälter mit Tinte oder Tusche, sowie Pinsel. Das Papier verriet höchste Schönschreibkunst und einige Blätter waren sogar mit japanischen oder chinesischen Texten beschrieben. Tina war erstaunlich.
    Wir gingen in die Küche, die vollkommen funktional und schmucklos war, als lebte hier gar niemand. Wie diese Ausstellungsräume bei IKEA. Wären da nicht ein paar Teelöffel im Spülbecken und unzählige Krümel rund um den Toaster gelegen, hätte man meinen können, sie sei vollkommen unbenützt. Tina musste eine sehr penible und reinliche Frau sein. Nicht gerade kompatibel für mich. Ich dachte kurz an Evelyns ausgeprägten Sinn für eine gewisse punkige Unordnung.
    Wir setzten uns hin. Ich blickte durch die Küchentür und sah mich selbst im Spiegelbild der Wohnzimmerwand. Der Schock der vergangenen Minuten legte sich langsam. Ich spürte noch den Schmerz in meiner Brust, doch es war nur ein oberflächliches Pochen, nichts das von innen stach. Es mochte in einigen Stunden vergehen.
    Wir stießen an.
    »Auf deine Fähigkeiten«, sagte ich langsam. »Ich habe dir viel zu verdanken.«
    Ich versuchte vor ihr zu verstecken, dass meine Hände noch immer zitterten, und nahm rasch einen Schluck. Es war der dünnste Screwdriver , den ich je gekostet hatte. Doch ich schätzte, man wurde nicht so schnell wie sie, indem man sich mit Alkohol zuschüttete oder kiffte.
    Ich beobachtete sie neugierig. Sie hatte kräftige Brüste und starke Schultern. Ihr langes Haar war schwarz und streng zusammengebunden. Doch nicht am Nacken, wie die meisten Pferdeschwänze, sondern am Hinterkopf. Sie erschien mir wie eine hunnische Prinzessin. Wie Black Canary . Wie ein verdammt feuchter Traum. Ihre Gesichtszüge waren weich und feminin — nur ihre Augen strahlten eine seltsame Härte

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