In den Spiegeln (Teil 1, 2 & 3) - Die dunkle Stadt (German Edition)
stieg taumelnd in meine Jeans und zog mir ein T-Shirt über, auf dem Miki Nakatani verträumt zur Seite blickte.
Dann machte ich mir die Lautstärke zunutze und stemmte diskret vor mich ächzend das Sofa ins Wohnzimmer zurück.
Anschließend ließ ich mich darauf fallen, wischte mir den Schweiß aus der Stirn und beobachtete Evelyn.
Verdammt, dachte ich. Heute ist der Tag, an dem ich abhauen muss. Wie sage ich es ihr nur?
Sie drehte sich paar Mal um ihre Achse und sprang in die Luft, während sie dabei wie eine Ballerina ihre Füße kreuzte. Als sich unsere Blicke kreuzten, lächelte sie mich an.
Nachdem sie die Hälfte ihres Programms absolviert hatte, merkte ich, dass das klangfremde Schellen im Raum nicht zu den Sounds von The Prodigy gehörte, sondern die Türklingel war.
Fragment: Gesprächstransskript 72
Kasuistik Nr. 245/B (2011.05.16, Auszug)
Dr. Romell: Guten Morgen, Jan-Marek. Haben Sie gut geschlafen?
Jan-Marek Kámen: Ich weiß es nicht, Herr Doktor. Ich bin meistens zu stoned, um es beurteilen zu können.
DrR: Glauben Sie mir, die Medikamente sind gut für Sie.
JMK: Halleluja. Gute Medikamente. Gut schlafen. Ende gut, alles gut.
DrR: Nun, ich finde, Sie machen Fortschritte. Erinnern Sie sich noch, wie Sie sich mit den Pflegern geprügelt haben?
JMK: Sie meinen die Wärter.
DrR: Die Pfleger.
JMK: Die Wärter.
DrR: Das hier ist kein Gefängnis, Jan-Marek.
JMK: Sie wollen mir nur einreden, es ist ein Irrenhaus, so wie Sie mir einreden wollen, ich sei verrückt. Aber sehen Sie sich an, was Sie hier den ganzen Tag tun. Wenn ich verrückt bin, sind Sie es schon lange.
DrR: Das mag sein, Jan-Marek. Aber ich bekomme dafür ein Gehalt. Schauen Sie sich an, wohin es Sie gebracht hat.
(Dr. Romell blättert in Unterlagen)
DrR: Ich habe Ihre gestrigen Aufzeichnungen gelesen. Sehr aufschlussreich. Möchten Sie darüber reden?
JMK: Ich nehme an, Sie wollen darüber reden.
DrR: Ich würde gerne darüber reden. Ist das für Sie in Ordnung?
(Patient nickt)
DrR: Erklären Sie mir bitte, wie sich diese drei Gruppen, die sich da in Ihrem Wohnzimmer einfanden, zu einander stellen. Lux Aeterna, Kerygma und Oktagon.
JMK: Das ist sehr... Sehr lehrerhaft, es mich aufsagen zu lassen.
DrR: Weshalb ist es lehrerhaft?
JMK: Weil Sie all diese Antworten schon kennen. Es sind also lehrerhafte Fragen.
DrR: Sie meinen rhetorische Fragen?
JMK: Das sage ich doch. Wenn Sie mich nicht ständig mit Drogen vollpumpen würden, würde ich sicherlich weniger nuscheln.
DrR: Gehen wir alles der Reihe nach durch. Wer ist Lux Aeterna?
JMK: Sie denken vermutlich, dass das Teufelsanbeter sind.
DrR: Aber was denken Sie?
JMK: Glauben Sie mir, die beten zu niemandem.
DrR: Aber der Teufel ist im Spiel.
JMK: Den trifft man nicht sehr oft. Aber ja, er sitzt stets am Spieltisch. Die Lux Aeterna ist sein Arm auf dieser Welt. Sein Muskel. Besser gesagt seine Hand. Er hat immer seine Hand im Spiel.
DrR: Sie beschreiben das als... die ›Schatten‹.
JMK: Hören Sie doch zu. Ich beschreibe gar nichts. Ich sage nur was war. Die ›Inferni‹ sind real. Aber man kriegt heute nicht mehr sehr viele Dämonen zu sehen.
DrR: Also sind die Mitglieder der Lux Aeterna Dämonen?
JMK: Nein. Sie sind deren Arm. Ein Arm vertritt den Gedanken. Klar? Mann. Sie könnten mich einfach ausnüchtern lassen. Ist doch Blödsinn sowas...
DrR: Lux Aeterna besteht also aus Menschen.
(Stille)
JMK: Ja, kann man wohl so sagen.
DrR: Warum haben Sie gezögert?
JMK: Ich denke, wenn Menschen eine Weile etwas tun, was andere Menschen nicht tun, hören sie auf richtige Menschen zu sein.
DrR: Was sind sie dann?
(Stille)
JMK: Untote. (senkt die Stimme) Ich habe die Antwort darauf, wer Untote wirklich sind. Sehen Sie sich Horrorfilme, Vampir-Romane, Werwölfe an... Es ist so klar, Mann. Diese Sachen, diese... moderne Mythologie gab es vor dem Ende des 19. Jahrhunderts kaum. Und wer taucht zur selben Zeit auf?
DrR: Lux Aeterna?
JMK: Genau!
DrR: Aber sie sind doch keine Vampire.
JMK: Sie meinen, ob sie das Blut halbnackter Jungfrauen trinken? Mann. Die interessieren sich nicht für Nackte oder Jungfrauen. Aber das ist das Problem. (spricht wieder leise) Wenn die sich für das Blut nackter Jungfrauen interessieren würden, wären sie keine Vampire. Verstehen Sie das?
DrR: Erklären Sie es mir.
JMK (lacht konspirativ) : Es ist doch ganz klar. Menschen sind Menschen, weil Menschen sterben. Menschen haben Angst. Angst ist das erste Gefühl. Alles
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