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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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er schlug sie trotzdem auf.
    Mit Liebe unserer Tochter Sari, unserer kleinen Prinzessin! Denk daran: Auch wenn du ein großer Mensch wirst, nimmst du nur sehr wenig Platz auf der Oberfläche der Erde ein, aber in unseren Herzen wirst du immer unsere größte Errungenschaft und unser größtes Glück sein.
    Die Widmung war in Markettas weit ausladender kurviger Handschrift geschrieben, die sich deutlich von der dicht gedrängten und stark nach rechts geneigten Saris unterschied. Sari hatte unter die Widmung ihrer Mutter eine zweite geschrieben:
    Mit Liebe unserer Tochter Liina, unserer kleinen Prinzessin! Denk daran: Obwohl die Erde ein großer Stern ist und unglaublich viele Menschen auf ihrer Oberfläche wohnen, bist du die einzige deiner Art auf der ganzen Welt – du bist unsere Welt.
    Als Viitasalo das Buch zuschlug, sah er den Brief von Sari, der doppelt gefaltet zwischen den Seiten steckte.
    Für Juha.
    Viitasalo zog den Stuhl heran und setzte sich. Er starrte auf das gefaltete Stück Papier, bis die Buchstaben zu tanzen begannen. Er wusste nicht, warum, aber es widerstrebte ihm, etwas zu lesen, was als Abschiedsbrief gedacht war. Vielleicht sollte er den Brief ungelesen verbrennen. Manches nicht zu wissen wäre womöglich leichter, als alles zu wissen und es für den Rest des Lebens nicht mehr loszuwerden.
    Und auch noch dieses verdammte Kissen! Das Sofakissen, das Viitasalo in den Mülleimer befördert hatte, war wieder auf dem Sofa aufgetaucht. Er hatte es bemerkt, als er von Liinas Zimmer in die Diele ging, um Mantel und Schuhe auszuziehen. Er hatte einen Augenblick innegehalten und es dann genommen und aus dem Haus geschafft. Er war zur Mülltonne am Gartenzaun gestürmt und hatte es wütend hineingeschmissen. Aber das hatte ihm noch nicht gereicht. Er hatte die Gartenschere aus der Garage geholt und war noch einmal zur Mülltonne zurückgekehrt. Er hatte die Schere so oft mit solcher Wucht in das Kissen gerammt, dass die Polyesterfüllung aufflog wie Schnee.
    Viitasalos Hände zitterten, als er den Brief auseinanderfaltete.
    Ich liebe euch beide mehr als alles auf der Welt. Aber ich mag nicht mehr leben. Ich mag mit mir selbst nicht mehr leben. Du musst es Liina erklären, wenn sie alt genug ist, um es zu verstehen. Verzeih mir!
    Sari
    »Was erklären?«, flüsterte Viitasalo. »Und was verstehen?«
    Als er den Brief aus der Hand legte, sah er, dass dort, wo Sari den Brief ins Buch gelegt hatte, ein Stück Text eingerahmt war. Zuerst gab es da ein Bild, auf dem der kleine Prinz zwischen Blumen auf einem Hügel lag. Unter dem Bild stand: Und er warf sich ins Gras und weinte.
    Dann kam der Rahmen, für den Sari denselben Kugelschreiber benutzt hatte wie für den Brief.
    »Adieu«, sagte der Fuchs. »Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.«
    »Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar«, wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
    »Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig.«
    Das war alles. Verloren? Offensichtlich meinte sie mit der Rose sich selbst. Sah und erlebte sie es so? Dass alles nichts war, dass er sie nie geliebt, sondern sich nur eingebildet hatte, dass er sie liebte? Oder wollte Sari ihn trösten?
    Viitasalo sah sich den weinenden kleinen Prinzen an. Dann schlug er, als hätte es ihm jemand aufgetragen, die nächste Seite auf. Dort war nichts eingerahmt. Trotzdem las er den Rest des Kapitels, das auf dieser Seite zu Ende ging. Es war das einundzwanzigste.
    »Die Zeit, die ich für meine Rose verloren habe …«, sagte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
    »Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen«, sagte der Fuchs. » Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich …«
    »Ich bin für meine Rose verantwortlich …«, wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
    Viitasalo klappte das Buch zu. Sari kannte die Geschichte auswendig. Sie hatte das Ende des Kapitels nicht eingerahmt, aber sie wusste, wie es endete. Er war sich bewusst, wie kühn es war, daraus einen Funken Hoffnung zu ziehen, aber er tat es dennoch. Sari hatte nicht sterben wollen. Sie hatte gewollt, dass er ihr half. Sari hatte gewollt, dass er verstand. Was sie getan hatte, war der Hilferuf eines unter unerträglichen Schmerzen leidenden Menschen.
    »Ich bin zeitlebens für das

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