In die Nacht hinein: Roman (German Edition)
Gesicht, etwas Antilopenhaftes an sich hatte, keine extravaganten Vorlieben, Dan, der so eindeutig einer der Jungs sein sollte, mit denen Matthew mal was hatte? … Wer hätte sich vorstellen können, dass er mehr erfuhr, als einige Ärzte wussten, dass er die furchterregendsten Schwestern in die Schranken wies, bei Matthew blieb, als er zu Hause war, und ihn in dem Programm unterbrachte, obwohl es hieß, es sei abgeschlossen, in diesen letzten Tagen im Krankenhaus bei ihm war und …? Ja, die Liste geht weiter … und nein, Dan hat von seinen ersten Symptomen nichts erwähnt, bis Matthew tot war.Wer erwartete denn, dass Matthew und dieser mehr oder weniger zufällige Junge Tristan und die verfluchte Isolde wurden?
Man könnte angesichts von alldem durchdrehen – dein Bruder mit zweiundzwanzig tot (er wäre jetzt siebenundvierzig), dazu sein ehemaliger Freund und jeder andere Freund, den er hatte; Gemetzel in anderen Ländern, die Attila dem Hunnenkönig zu denken geben würden; Kinder, die ihre Lehrer mit den Schusswaffen töten, die ihre Väter haben herumliegen lassen; und übrigens, meinst du, es wird das nächste Mal ein anderes Gebäude sein, oder wird es die U-Bahn sein oder eine Brücke?
»Hast du den Lokalteil?«, fragt er Rebecca.
Sie reicht ihm die Seiten, widmet sich wieder der Literaturbeilage.
»Die Martin-Puryear-Ausstellung schließt in drei Wochen«, sagt sie. »Trete mich bitte, wenn ich sie verpasse.«
»Mm.«
Er hat zwanzig Minuten Zeit. Neunzehn jetzt. Er hat unglaubliches Glück, erschreckendes Glück. Deine Probleme, kleiner Mann? Betrachte sie als einen Appetithappen, der nicht ganz gelungen ist. Du solltest singen und frohlocken, du solltest jedem Gott huldigen, der dir einfällt, weil dir niemand einen Reifen auf die Schulter stülpt und ihn in Brand steckt,jedenfalls heute nicht.
Rebecca sagt: »Sollen wir Bea anrufen, bevor du gehst?«
Welcher Vater würde einen Anruf bei seiner Tochter aufschieben wollen?
Niemand hat dich mit einer Machete zu Tode gehackt. Trotzdem.
»Lass uns anrufen, wenn ich zurückkomme«, sagt er.
»Okay.«
Schwer zu leugnen: Rebecca ist genauso froh, dass sie ein paar Stunden ohne ihn daheim ist. Eins dieser Dinge, wenn man lange verheiratet ist, stimmt’s? Man will manchmal allein zu Hause sein.
Es ist ein warmer, in hellgraues Licht getauchter Aprilnachmittag. Peter läuft die paar Blocks zur U-Bahnstation Spring Street. Er trägt abgewetzte Wildlederboots, eine dunkelblaue Jeans und ein hellblaues, ungebügeltes Hemd unter einer taubenblauen Lederjacke. Du versuchst nicht zu gewollt zu wirken, aber du triffst dich immerhin mit jemandem in einem schicken Restaurant in Uptown und willst – armer Hund -, du willst weder zu herausfordernd nach »Downtown« aussehen (erbärmlich, in deinem Alter) noch so, als hättest du dich für die älteren Damen aufgehübscht. Peter ist im Lauf der Jahre besser darin geworden, sich wie der Mann zu kleiden, der den Mann darstellt, der er tatsächlich ist. Dennoch gibt es Tage, an denen er das Gefühl nicht loswird, dass er sich vertan hat. Und natürlich ist es grotesk, sich darum zu scheren, wie man aussieht, aber fast unmöglich, es nicht zu tun.
Dennoch ist da immer die Welt, die sich ständig verschwört, um dich daran zu erinnern: Niemand schert sich um deine Boots, Pilger. Da ist die Spring Street an diesem Frühlingstag – ist es nicht ein Scheinfrühling? New York hat doch die Angewohnheit, noch einen letzten Schneefall herauszuquetschen, auch wenn die Krokusse schon draußen sind -, der Himmel so klar, dass man sich vorstellen kann, wie Gott alles mit seinen Händen formt, als wären es Schneebälle, sie wirft und sagt: Zeit, Licht, Materie . Da ist New York, eine der gottverdammtesten Störungen, die je auf der rotierenden Erdoberfläche saßen. Es ist mittelalterlich, wirklich, mit all den Wällen, Zikkuraten, Spitzen und Türmen, man kann durchaus einen in einen Müllsack gehüllten Buckligen neben einer Frau herstapfen sehen, die eine Handtasche für zwanzigtausend Dollar trägt. Und gleichzeitig, wie überlagert, ist es eine riesige Boomtown aus dem neunzehnten Jahrhundert, lärmend und lebendig, gierig auf die Zukunft, hat aber nichts Gummiertes oder Luftgepolstertes an sich, kein hydraulisches Säuseln; Züge rumpeln über den Straßenbelag, stämmige, aus Kalkstein gehauene Frauen und Männer – keine Götter – blicken von Gesimsen herab wie aus einem Himmel der Arbeit und des schwer
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