In einer Familie
Illu-
sion der Beiden zu vollenden. Sie kamen sich für die
ersten Augenblicke wie Kinder vor, die vor dem
Aufbau der Bescherung zu einem Spaziergang fort-
geschickt sind, um, nun zurückgekehrt, durch die
plötzlich weitgeöffnete Thür die Überraschungen
anzustaunen, welche die Eltern vorbereitet haben.
In der That entsprach der Major aufs beste seiner
Rolle als Weihnachtsvater. Er stand stets hinter sei-
nen glücklichen Kindern, um aus nächster Nähe die
Äußerungen froher Überraschung zu hören, die
immer häufiger und herzlicher wurden, während
sie die einzelnen Räume musterten. Zugleich be-
friedigte es den alten Herrn ungemein, bei verschie-
denen Einzelheiten die aufrichtige Anerkennung
seines künstlerischen Geschmackes zu vernehmen.
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Er hatte diesen in Wahrheit mit vieler Liebe bethä-
tigt, und besonders der Kaminwinkel in Annas
Boudoir, vor dem die kleine Gruppe Halt machte,
war ein kleines Meisterstück dekorativer Anord-
nung, mit der diskreten Abstufung der verschieden-
farbigen japanischen Seidenstoffe, welche hier die
Wand bekleideten, mit den in originellen Haltern
steckenden, darübergesäeten Photographien größe-
ren und kleineren Formats, mit dem Phantasie-
tischchen, das über und über mit eleganten Spiele-
reien beladen war und in dem hier doppelt gebrei-
teten, weichen Teppich versinken zu wollen schien,
und mit der hohen bronzenen und rot beschirmten
Salonlampe, deren Gestell sich dahinter vom Boden
erhob, endlich mit den kostbaren Kaminaufsätzen,
riesigen orientalischen Vasen von ausgezeichneter
Arbeit.
»Die habt ihr noch nicht gesehen, was?« fragte
Herr v. Grubeck, der seine große Hand gemütlich
auf die Schulter seines Schwiegersohnes gelegt hatte.
»Ich habe die Dinger ganz zufällig noch bekom-
men, nachdem ihr schon fort wäret, und habe mir er-
laubt, sie ohne eure Genehmigung anzuschaffen;
war sicher, daß sie euch als kleine Begrüßungsgabe
angenehm sein würden.«
Dann wies der alte Herr rasch auf das hübsche,
hel hinter den Messingstäben spielende Kaminfeuer
und auf die beiden davorgeschobenen und mit Kis-
sen aller Art beladenen Sessel.
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»Auf die Ecke hier«, erklärte er, »mußte ich natür-
lich besondere Sorgfalt verwenden. Ich weiß, welch
eigene Anziehungskraft im ersten Jahr so ein Ka-
minfeuer übt. Später pflegt man dann zu dem mehr
praktischen Ofen überzugehen.«
Durch ähnliche, mit kleinen humoristischen Seuf-
zern gesprochene Bemerkungen hatte der alte Herr
seine beiden Begleiter mittlerweile ein wenig aus ih-
rer anfänglichen Märchenstimmung erweckt. Auch
folgte seinen letzten Worten von Seiten Wellkamps
ein anerkennendes Lachen, während dessen der
Thürvorhang, welcher das trauliche kleine Gemach
abschloß, zurückgeschlagen wurde, um Frau v. Gru-
beck eintreten zu lassen. Sie entschuldigte sich,
durch ihre Toilette so lange verhindert worden zu
sein, und begrüßte zugleich aufs herzlichste die Zu-
rückgekehrten, indem sie mütterlich die Stirn ihrer
Stieftochter küßte, während sie die Hand des jungen
Mannes in ruhig freundlicher Weise drückte. Aus ih-
rem Wesen schien etwas Unbestimmtes, Rätselhaf-
tes, das früher bei jeder Begegnung mit ihr befrem-
den und selbst quälen konnte, verschwunden, und
ihr Benehmen statt dessen durch eine gewisse Ent-
schlossenheit geleitet zu werden. Dies mochte auch
ihre Toilette andeuten, welche, anstatt von der heu-
len und fast mädchenhaften Art wie ehemals, heute
wieder von der dunkleren Farbe war, die sie auch an
dem Hochzeitstage des jungen Paares getragen. Von
der ersten Minute an prägte sich in ihrem Auftreten
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unverkennbar etwas Mütterliches aus, das auf Well-
kamp, der in den vergangenen Augenblicken ihrem
Erscheinen doch mit einer gewissen Bangigkeit ent-
gegengesehen, eine durchaus beruhigende Wirkung
übte. Seine Unbefangenheit wurde mehr und mehr
wieder hergestellt, als er jetzt auf die beiden Frauen
herniederblickte, die in den Sesseln vor dem Kamin
Platz genommen hatten. Der Altersunterschied
ward noch sichtbarer, wie nun dicht neben Annas
von der Winterfrische gerötetem Gesicht sich Doras
blasses Profil zeigte. Es war, bei aller weichen Zart-
heit, ein Leidenszug, vielleicht nur wenn sie lächelte,
darin kenntlich. Dazu kam, daß oben auf ihrem
vollen Haar, wo Wellkamp so häufig goldene Licht-
reflexe hatte spielen sehen, heute ein ganz winziges
Arrangement künstlicher Blumen
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