In einer Familie
sie nur dazu ver-
mögen, im eigenen Herzen Buße zu thun und ihm
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seine Schuld tragen zu helfen. Dabei können sie im
Alltagsleben nüchtern erscheinen, und nichts liegt
ihnen ferner, als der tägliche Kultus des Gefühls,
seine Anbetung mit Gesten und Empfindsamkeiten.
Aber der Glaube an das Gefühl selbst ist in ihnen
unzerstörbar; er ist der Grund, in den ihr Sein ge-
senkt ist. Es sind sozusagen protestantische Na-
turen.
Dem Manne zu ihren Füßen fehlte die Erklärung.
Er kniete jetzt noch vor ihr, wie wohl ein Beter vor
einer Madonna, die ein Wunder gethan. Aber er
hatte ein Leben vor sich, um sich aufzurichten an der
Stärke eines Frauenherzens, welches liebt und ver-
gibt.
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IX
Nach der furchtbaren Auseinandersetzung mit ih-
rem bisherigen Geliebten hatte Doras Zustand an-
fänglich eine nicht ungefährliche Wendung genom-
men. Der Angriff auf die Widerstandsfähigkeit ihrer
Nerven war ein solcher gewesen, daß eine ursprüng-
lich gesundere, an Ruhe und Ausgeglichenheit ge-
wöhnte Natur ihm zweifellos unterlegen wäre. Die
ihre, welche an seelischen Kämpfen und Krisen des
Temperamentes reich erfahren war, überstand auch
noch dies. Indes erholte sie sich langsam. Etwa zwei
Wochen lang kam sie wenig zur Besinnung. Als ihr
matter Geist sich wieder zu sammeln begann, war es
mit der gewöhnlichen, tiefen Gleichgültigkeit des
Rekonvaleszenten für al es andere als für sein anima-
lisches Befinden. Während sie sich zum erstenmale
erhob, zauderte sie wohl kurz, das Zimmer zu ver-
lassen, mehr aus Widerwillen, irgend Jemand außer
ihrer Pflegerin zu begegnen, als in ausdrücklicher
Erinnerung an das ihrer Krankheit Voraufgegan-
gene. Aber sogleich fiel sie von neuem in die natür-
liche Neigung, Alles gehen zu lassen, zurück.
Warum irgend etwas bedenken, und auf wen Rück-
sicht nehmen? Sie hatte erfahren, daß Wel kamp mit
seiner Gattin wenige Tage nach der Katastrophe ab-
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gereist sei. Ihres eigenen Gatten gedachte sie kaum,
er bedeutete in diesem Augenblicke nichts mehr in
ihrem Leben. So seltsam hatte sich die namenlose
Angst, die ihr damals Wellkamps Drohung, sie an
den Mann zu verraten, eingeflößt, jetzt in die äußer-
ste Fremdheit und Nichtachtung gegenüber der voll-
endeten Thatsache verwandelt.
Auch beachtete sie es nicht weiter, als sie sich
während ihrer Mahlzeit im Speisezimmer allein
fand. Herr v. Grubeck hatte sich seinerseits ent-
schuldigen lassen. Er fand es zur Zeit unmöglich,
Dora zu sehen und mit ihr ohne einen Rückhalt, wie
er ihn bisher in seiner Tochter gehabt, zusammen zu
bleiben. Er zögerte noch, als habe er einen Entschluß
zu fassen, und gestand sich nicht, daß dieser Ent-
schluß im Stillen bereits feststehe. Seine Schwäche
hatte denselben für ihn gefaßt. Nachdem der plötz-
liche Aufschwung seines Willens, der ihm in jener
bedeutenden Stunde zu Allem Kraft verliehen hätte,
durch Annas Dazwischenkunft gleichsam unnötig
gemacht und erfolglos geblieben war, hatte der alte
Herr sich sofort in um so tieferer Energielosigkeit
befunden. An eine Scheidung seiner Ehe, die ihm
während jener Unterredung mit seinem Schwieger-
sohne als durchaus selbstverständlich vorgestanden,
wagte er sich nicht mehr zu erinnern, so wohl fühlte
er, daß er sie für alle Zeit vermieden zu sehen
wünschte. Es hätte das den Verzicht auf alle Be-
quemlichkeiten erfordert, die, so unbedeutend sie
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im einzelnen sein mochten, einem Manne von seiner
Erziehung und seinen Gewohnheiten wie die Luft
des Lebens selbst erschienen, und die ihm das Ver-
mögen seiner Gattin verschaffte. Lieber als die Ent-
behrung ertrug er auch ferner die täglichen gehei-
men Demütigungen, welche ihm seine Verhältnisse
als unvermeidliche Begleitung der Bequemlichkeiten
auferlegten. Einen Augenblick hatte er sein Haupt
hoch erhoben aus dem trägen Strom, in dem sein Le-
ben forttrieb; nun ging es von neuem über ihn hin. Je
länger er indes unschlüssig blieb, wie er von jetzt an
seine Stellung aufzufassen, und in welcher Weise er
Dora zu begegnen habe, desto mehr gefiel er sich in
seiner Neutralität und wich um so sorgfältiger jedem
Zusammensein mit seiner Gattin aus. Ein flüchtiger
Gruß und eine Frage nach ihrem Befinden gelegent-
lich einer zufälligen Begegnung machten ungefähr
ihren ganzen Verkehr aus. Im übrigen vermied der
Major seine Wohnung, die ihm nicht nur durch die
Schwierigkeiten des
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