In einer Familie
des
Einsatzes gedacht hätte, dessen er nun verlustig ge-
hen sollte. Hatte er denn wirklich um Leben und
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Tod gespielt? In Wahrheit kam bei dieser Frage To-
desangst über ihn, und diese war der Boden, aus dem
sich zum erstenmale eine große, von al en sie umrin-
genden Umständen losgelöst mächtige Liebe zu sei-
ner Gattin in ihm erhob.
Indessen stand er, den Kopf wie unter Nacken-
schlägen geneigt, ohne zu wagen, den Blick, den er
bei den ersten Worten seines Schwiegervaters ge-
senkt, wieder zu erheben. Während kalter Schweiß
auf seine Stirn trat, hörte er den Andern mit hartem,
nun trocken und wie geschäftsmäßig gewordenen
Tone die Bestätigung dessen aussprechen, was er am
meisten fürchtete.
»Ich denke«, fuhr der Major fort, »daß eine sofor-
tige Trennung Ihnen jetzt ebenso erwünscht sein
wird, wie mir. Ich glaube leider, daß meine Tochter
sich nur dann beruhigen wird, wenn Ihre Abwesen-
heit eine definitive ist. Um sie also beschleunigen zu
können, werden wir von einer plötzlichen Krisis in
Ihrem Befinden sprechen. Unsere Angelegenheiten
dürften sich brieflich am besten ordnen lassen. Wenn
Sie in eine Scheidung willigen, so stimmen wir hof-
fentlich darin überein, sie wenigstens ein halbes Jahr
hinauszuschieben. Es kommt darauf an, Alles mög-
lichst unauffällig einzuleiten. – Also Sie reisen?«
»Ich werde reisen«, sagte Wellkamp ganz leise,
doch noch immer mit der schwachen, gleichsam eine
letzte Bestätigung erwartenden Frage im Ton seiner
Stimme. Wie eine Antwort hörte er im gleichen
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Augenblick Anna, welche unbemerkt die Thür ge-
öffnet, sagen:
»Du wirst reisen, aber nicht ohne mich.«
Die beiden Männer starrten sie an wie eine Er-
scheinung. Den Einen von ihnen enttäuschte sie über
seine ganze Auffassung der Dinge, brachte seine Fe-
stigkeit zugleich mit dem Ziele ins Wanken, auf das
sie gerichtet gewesen; dem Andern kam sie unver-
hofft zurück, nachdem er sie in diesen bangen Minu-
ten schon lange, so lange verloren zu haben gemeint.
Während Herr v. Grubeck, ohne ein Wort des Wi-
derspruchs, mit unmerklich schwankender Haltung
ans Fenster trat, an das er sich, dem Zimmer den Rük-
ken gewandt, lehnte, war Wellkamp ohne einen Ge-
danken, wie unter der Gewalt des Schicksals, auf die
Kniee gesunken. Er verstand nichts mehr. Jenes erste
Mal, als er, wie jetzt wieder, ihre Hand mit seinen
Thränen benetzte, hatte er, im Spiel seiner Phantasie,
sie mit seiner halben Hingebung zurückzugewinnen
geglaubt. Heute fand er für das, was geschah, keine
Erklärung in sich selbst. Damals hatte Anna ihn nicht
begreifen können, da er sie täuschte; er dagegen be-
griff sie heute nicht, weil sie ganz aufrichtig war.
»Nicht ohne mich!« wiederholte sie fast bittend.
»Du hast mir viel, viel Leid zugefügt. Aber ich
fürchte, Dir selbst fast noch mehr. Ich glaube – heute
Morgen gehört zu haben, daß Du unglücklich bist.
Wenn wir es also Beide sind, könnten wir dann nicht
zusammen auch wieder glücklich werden?«
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Wie der Klang ihrer Worte, so war das Gesicht der
jungen Frau sehr ruhig, vielleicht noch klarer, in ir-
gend welcher Weise freier. Es schien etwas wie der
Schatten eines kleinen, geistigen Hochmuts von ih-
rer Stirn genommen. Die letzten Erfahrungen, die
sie in ihrem Stolze ebensosehr enttäuscht, wie sie ihr
Herz verwundet hatten, schienen sie sanfter, ihre
Empfindung weicher gemacht und ihr ein schönes
Verständnis für menschliche Schuld und mensch-
liches Leid geschenkt zu haben.
Wie hätte sie früher Verständnis für die Schuld
Anderer besitzen sollen, da sie Niemandens Schuld
kannte. Sie hatte noch wie ein Kind Alles mit den
Augen ihrer Sympathien und Antipathien angese-
hen, und so hatte sie von dem, was ihren Gatten seit
so langer Zeit von ihr trennte, nichts ahnen können.
Es gibt solche Naturen, die nicht überragend groß –
denn zur Größe gehört auch das Verständnis der
Schuld und viel eicht die Schuld selbst – aber rein ge-
nug sind, eine noch so geheime Verdächtigung des
geliebten Gegenstandes als eine Beschimpfung ihres
innersten Heiligtumes und ihrer selbst zu empfin-
den. Man führe sie dicht an das vor ihnen, in ihrem
intimsten Kreise aufgerollte Problem der Schuld
heran, so werden sie es übersehen. Man öffne ihnen
mit Gewalt die Augen, so werden sie mehr ihrem
Gefühl als ihren Augen glauben. Das Geständnis
endlich des Schuldigen selbst wird
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