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In feinen Kreisen

In feinen Kreisen

Titel: In feinen Kreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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mehr nötig. Werden Sie jetzt zurechtkommen?«
    »Ja – sicher. Ich danke Ihnen.«
    Sie zögerte einen Augenblick, dann drehte sie sich um und verließ das Haus. Draußen schienen die letzten Sonnenstrahlen auf den Gehweg, und auf der Straße herrschte reger Betrieb.

12
    Am Sonntagabend ging Rathbone in die Fitzroy Street, um mit Monk zu reden. Er konnte die Ungewissheit nicht länger ertragen, und er wollte seine Besorgnis mit jemandem teilen.
    »Leichendiebe!«, wiederholte er ungläubig, als Hester ihm berichtete, woher Treadwell ihrer Meinung nach sein zusätzliches Einkommen bezogen hatte.
    »Nicht direkt«, korrigierte Monk ihn. »Genau genommen wurden die Leichen nie begraben, sondern direkt vom Bestattungsunternehmer ins Hospital gebracht.« Er saß in dem großen Sessel vor dem Feuer. Der Herbst machte sich an den Abenden langsam bemerkbar. Hester saß vornübergebeugt da, die Arme um den Leib geschlungen, das Gesicht blass. Sie erzählte ihm mit einfachen, schlichten Worten von John Robbs Tod, und er konnte an ihrer Haltung ablesen, dass der Verlust sie tief getroffen hatte.
    »Das macht die Sache einfacher«, sagte Monk an Rathbone gewandt. »Warum sollte man sie erst begraben und dann die Mühe und das beträchtliche Risiko auf sich nehmen, sie wieder auszugraben, wenn man einfach von Anfang an stattdessen Ziegelsteine in die Särge legt?«
    »Und Treadwell hat sie transportiert?« Rathbone wollte sich versichern, dass er alles richtig verstanden hatte. »Sind Sie davon überzeugt?«
    »Ja. Wenn es sein müsste, könnte ich genug Zeugen benennen, um jeden Zweifel zu zerstreuen.«
    »Und er hat Fermin Thorpe erpresst?«
    Monk zuckte die Achseln. »Das weiß ich eben nicht. Beweise habe ich keine, und so ungern ich es zugebe, es ist eher unwahrscheinlich. Warum sollte er? Er machte bei dem Geschäft einen hübschen Gewinn. Nichts konnte weniger in seinem Interesse liegen, als Thorpe vor Gericht zu sehen.«
    Dieser Einwand war überzeugend, und Rathbone akzeptierte ihn. »Haben wir irgendetwas in der Hand, womit sich eine Verteidigung untermauern ließe? Ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll…«
    Hester sah ihn unglücklich an und schüttelte den Kopf.
    »Nein«, antwortete Monk ratlos. »Wir könnten Thorpe wahrscheinlich dazu bringen, dass er die Anklage wegen Diebstahls fallen lässt – aber das würde uns, was den Mord betrifft, nicht weiterbringen. Dabei hilft uns einzig und allein Ihr Geschick.« Er sah Rathbone freimütig an, und in seinen Augen lag ein Respekt, der Rathbone bei anderer Gelegenheit mit Stolz erfüllt hätte.
    Um sieben Uhr am Montagmorgen stand Rathbone vor Miriams Gefängnistür. Eine mürrische Wärterin führte ihn hinein.
    Die Tür fiel mit einem Klirren hinter ihm ins Schloss. Miriam blickte auf. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst.
    Er hatte keine Zeit, um den heißen Brei herumzureden.
    »Ich gehe ohne Waffen in den Kampf«, sagte er lediglich.
    »Ich akzeptiere, dass Sie lieber Ihr Leben opfern wollen, als mir zu verraten, wer Treadwell und Verona Stourbridge getötet hat – aber sind Sie ganz sicher, dass Sie Cleo Anderson all das Gute, das sie Ihnen erwiesen hat, vergelten wollen, indem Sie auch sie dem Henker ausliefern?«
    Miriam sah so aus, als wäre sie einer Ohnmacht nahe. Sie hatte Mühe, zu sprechen.
    »Ich habe Ihnen bereits gesagt, Sir Oliver, selbst wenn Sie es wüssten, würde niemand Ihnen glauben. Ich könnte Ihnen alles erzählen, und es würde nur noch mehr Schaden daraus erwachsen. Glauben Sie nicht, ich würde alles Menschenmögliche tun, um Cleo zu retten, wenn ich es könnte? Sie bedeutet mir mehr als sonst ein Mensch auf dieser Welt – außer Lucius. Und ich weiß, wie viel ich ihr schulde. Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern, als hätte ich es vergessen. Wenn ich an ihrer Stelle hängen könnte, würde ich es mit Freuden tun! Ich werde sogar zugeben, Treadwell ermordet zu haben, wenn es denn Cleo hilft.«
    Er glaubte ihr jedes Wort, das sie gesagt hatte, und es gab für ihn keinen Zweifel, dass sie mit ruhigem Herzen sterben würde, wenn sie wüsste, dass sie Cleo damit retten könnte. Das bedeutete nicht, dass Cleo tatsächlich unschuldig war, nur dass Miriam sie liebte.
    »Ich werde tun, was ich kann«, antwortete er leise. »Ich bin mir nicht sicher, ob das viel nutzen wird.«
    Sie sagte nichts, schenkte ihm aber ein kleines Lächeln.
    Die Verhandlung begann in einem halb leeren Gerichtssaal. Rathbone hatte bereits seinen

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