In glücklichen Umständen
lag. Selbst die Worte über dem Kochherd an der Wand - NUTZE DEN TAG, AUCH WENN ALLES SCHIEFGEHT - konnten meine Gemütsverfassung nicht trüben. Ich reichte ein paar von Bens AA-Plätzchen herum, die er mit einem kräftigen Schuß Rum versetzt und die eigentlich nicht übel sind. Seine Hundesnacks, Kringelschwänze nach Großmutterart, entsandten dräuende Dampfwolken, während sie auf der Arbeitsplatte abkühlten.
«Rose ist eine gute Freundin.» Die Notlüge drängte sich wirklich auf. Plötzlich war ich Mrs. Cherub richtig dankbar. Ich konnte geheimhalten, daß die Blumen von Ross waren.
Sie starrten mich beide an und warteten. Keiner sagte ein Wort. Beide überlegten, auf welche Weise sie nähere Informationen aus mir herauslocken könnten. Doch keinem fiel etwas ein. Zuletzt kippte Humphrey seinen Becher um und verschüttete den Rest seines Kaffees auf dem Tischtuch, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und sagte: «Eines Tages steht sie nicht wieder auf, wenn sie so weitermacht.» Seine Mitteilungen waren oft kryptisch. Es gab ihm die Befriedigung, Neugier zu erregen, ohne die Schuldgefühle zu bekommen, die richtiges Tratschen mit sich bringt. «Oh?»
«Bestimmt!»
«Wer?»
«Sie!»
Ben sagte ungeduldig. «Wer wird was warum, wann und wo?» Ich sah ihn dankbar an. Er nahm noch ein AA-Plätzchen und lehnte sich zurück. Die Reife gab ihm eine männliche Autorität, die ich bewunderte und gleichzeitig beklagte.
«Die da oben im Wochenendhaus. In der alten Bruchbude. Bet sagt, sie nimmt in einer Tour Pillen und kann dann nicht mehr hochkommen. Ich hab sie durchs Fenster gesehen. Sie lag da wie betäubt...»
Ich unterbrach: «Humphrey, das ist doch alles Quatsch, und Sie wissen es. Hosanna hat manchmal von allem die Nase voll, das kann vorkommen, geht uns allen mal so. Sie kämpft dagegen an, indem sie sich für ein paar Tage mit einem Buch und einer Tüte Weingummis einschließt. Außerdem hält sie Diät und macht Trimmübungen, und der Fußboden ist gut für die Wirbelsäule: Irene sollte das bestätigen können. Es ist ein Grundheilmittel der Natur. Mein Gott, das ist doch viel besser, als zum Dun Cow zu rennen und sich mit Gin vollaufen zu lassen, wie es gewisse andere Leute tun.»
«Schwedische Tierärzte haben ein Verhütungsmittel für Wiesel vervollkommnet», sagte Ben trocken.
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu, ohne jede Spur von Dankbarkeit. Humphrey würde weiß Gott was daraus machen, wenn er es im Dorf erzählte. Er konnte einem das Wort im Mund rumdrehen. Zu mir gewandt sagte er: «Irene schwört auf Melissengeist.»
«Das hat mir noch nie geholfen», sagte ich dunkel.
«Aber es ist besser als diese Tabletten», brummte Humphrey, doch wir redeten aneinander vorbei, und ich stand auf, schob die Fleurop-Karte in die Tasche und stellte die Blumen in einen Eimer Wasser.
«Was willst du damit machen? In Butter dünsten?» fragte Ben.
«Dir wäre es wohl lieber, wenn es Spinat wäre», sagte ich böse. Ben sah Blumen mit den Augen eines Chefkochs. Ich selber hatte Bedenken gegen Schnittblumen, zumindest, bis diese hier gekommen waren. Es lag weniger daran, daß sie versinnbildlichten, wie wir die Natur schänden, sondern daß es eine solche Plackerei ist, sie zu arrangieren. Jedenfalls für mich. All die großen unhandlichen Vasen aus kaltem Glas und empfindlichem Porzellan, das abstoßend kalte Wasser, die widerwilligen, protestierenden Stengel. Daß man die Enden abschneiden und vorher in warmes Wasser tauchen muß. Nichts davon scheint eine Beziehung zu jenen wunderbaren, zarten, zum Tode verurteilten Wesen zu haben. Nichts zeigt seine Abneigung gegen die Gefangenschaft so sehr wie eine Tulpe.
«Und was das alles kostet!» sagte Humphrey. Seine Worte drückten selten das aus, was er wirklich meinte, aber die Art, wie er sie sprach, tat es gewiß. Es lag auf der Hand, daß Humphrey Geschenken aller Art mißtraute, und ein Eimer mit Blumen aus dem Treibhaus roch nach Bestechung - oder Schlimmerem. Nichtsdestoweniger fügte er hinzu, daß es Irene im Moment gerade nicht allzu gut gehe. Sein Blick ruhte auf den Gladiolen, aber nichts hätte mich bewegen können, mich von irgend etwas zu trennen, das von Ross kam. Ich hoffte, Humphrey würde kapieren, als ich das Geschenkpapier zusammenfaltete und in den Tischwäscheauszug legte, wo ich es zärtlich glattstrich. Irenes Unpäßlichkeit konnte alles mögliche sein, von der Menstruation bis zur Leichenstarre, und ich würde ihm nicht
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