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In Hadam wartet der Henker

In Hadam wartet der Henker

Titel: In Hadam wartet der Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Luxon aufmerksam gemacht haben mochte.
    Er hatte jedenfalls einen guten Handel gemacht. Alle Vorteile lagen bei ihm. Aber noch immer hockte der tödliche Schrecken tief in ihm und erfüllte ihn mit Angst und Zittern. Er hatte sich seiner Trägersklaven auf dieselbe Weise entledigen wollen, wie der Baumeister und die Arbeiter gestorben waren. Dies hatte er vergessen. Er legte seine Finger um die raschelnden Pergamentrollen, die ein Gardist ihm zum Thronsessel hinauf reichte. Also würden ihm die Träger noch eine Weile lang dienen. Auch gut, denn sie waren ausgebildet, ihre Arbeit richtig zu tun, schnell und ohne unnötiges Rucken.
    »Bringt mich zurück in den Palast!« befahl der Shallad.
    Die lange Prozession bewegte sich aus dem Irrgarten hinaus, die Rampe hinauf und zu der wartenden Barke. Während der gesamten Fahrt sprach Hadamur kein Wort mehr. Er brütete schweigend über seinen Plänen und war sicher, daß er, wie immer, sein Ziel erreichen würde.
    Ob mit der Hilfe von Dämonen oder ohne ihr Mitwirken; nur der Erfolg zählte.
     
    6.
     
    Das Licht des Mondes lag schillernd auf dem winzigen Tümpel. Dort, wo die Zone der stinkenden Feuchtigkeit mit dem festen Untergrund zusammenstieß, wucherten Binsen, Schlinggewächse und andere, rätselhafte Pflanzen. Lurche huschten durch das nasse Kraut. Riesige Frösche bliesen ihre Kehlsäcke auf und gaben laute, hallende Geräusche von sich. Riesige Vögel mit phosphorn leuchtenden Augen flogen über den Tümpel hin und her. Hier quiekte im Todeskampf eine Maus, dort raschelte eine Ratte. Kleine und große Blasen stiegen aus der Tiefe auf und zerplatzten an der Wasseroberfläche.
    Die Ringe, die sich ausbreiteten, zerrissen die Spiegelungen des Gestirns mit dem narbigen Antlitz.
    Ein Geräusch näherte sich und wurde lauter. Schritte schlurften durch Sand, staubdürres Gras und raschelnde Pflanzen. Eine riesige Blase, nicht schwarz wie das Wasser des Tümpels, sondern farblos, erhob sich und platzte mit einem schauerlichen Geräusch. Angstvoll schrien kleine Vögel in den Ufersträuchern. Zornig summten unsichtbare Insekten zwischen den Dornen und Ranken. Die Schritte wurden lauter. Dünne Fäden von Pilzwurzeln rissen mit scharfen Geräuschen. Als sich die Schritte dem Rand des Tümpels genähert hatten, verschwand der Mond für den Rest der Nacht hinter dem Gewoge der Schattenzone. Er verbarg sich hinter den Schleiern und Schlieren, wurde von dem wesenlosen Rauch verschluckt, von all den schwarzen, Wolken, das Land am Tage und in der Nacht verdunkelten.
    Am Rand der Schattenzone, weitab aller menschlichen Siedlungen, inmitten der Welt nie gesehener Tiere, erschien eine schmale, dunkle Gestalt am Wasser. Sie war so schwarz wie die Dunkelheit der Nacht, gleichzeitig wesenlos und dennoch vorhanden.
    Eine unhörbare Stimme wisperte und zischte:
    »Greife in den Schleim, Körper! Du riefest mich. Nun tue, was ich dir auftrage!«
    Das namenlose, schmale und dünne Wesen stieg bis zu den Knien in die Feuchtigkeit. Es plätscherte kein Wasser, denn das Feuchte war zäh wie Honig oder Erdpech. Wieder schob sich eine Blase durch die Oberfläche, bildete eine fast vollkommene Kugel und platzte mit einem dumpfen Knall.
    »Du hast mich gerufen, um deine Rache zu vollziehen! Gehorche mir, deinem Dämon!« wandte sich die Stimme des Dämons an das Wesen, das er besaß. Der Inkubus erfüllte alle Gedanken des Wesens und verscheuchte jeden Selbstzweifel.
    Mit Bewegungen, die einem Schlafwandler eigen schienen, zog der Eindringling in diese Welt der Schrecken und der Schwärze einen ledernen Beutel unter den Gewändern hervor. Mit dünnen Fingern griff der Fremde in den Beutel und zog kleine, seltsame Gegenstände daraus hervor:
    Einige Fingernägel, mit einem langen Haar zu einem winzigen Bündel zusammengebunden waren. Einige Haarbüschel, um die ein Grashalm gewickelt war. Etwas, das aussah wie hornige Haut.
    »Fertige ein Ebenbild von deinem Opfer!«
    Der Fremde wartete. Wieder wölbte sich eine riesige Blase aus dem Tümpel hoch. Aus den Fingern des Wesens fielen die Haarbüschel und die Nägel. Sie berührten die schwach schillernde Kuppel der Blase. Ein Mund öffnete sich darin, saugte gierig schmatzend die Haare und Nägel ein und verschluckte sie. Dann begann sich die Haut der Blase zu verändern. Sie wurde heller und leuchtete schwach. Sie platzte nicht, sondern streckte sich aufwärts.
    »Greife hinein! Ich werde deine gestaltenden Finger führen!« befahl der

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