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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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nicht, wie ich sie trösten sollte.
    »Wie viele Tage habt
     Ihr Euch versteckt?«, fragte ich schließlich, da ich sie auf
     andere Gedanken bringen wollte. Zudem war diese Frage lebenswichtig.
     »Welcher Tag ist heute?«
    Lea sah mich verwundert an.
     »Wenn ich richtig gezählt habe«, antwortete sie zögernd,
     »dann ist heute der Tag, den ihr Christen Sankt Bartholomaeus
     geweiht habt. Doch welche Bedeutung hat das noch, da uns auch Heilige
     nicht mehr beistehen können?«
    »Sankt Bartholomaeus?«,
     rief ich da entsetzt. »Aber dann sind seit Mariae Himmelfahrt schon
     neun Tage vergangen! Neun Tage habe ich verloren im Kerker! Oh HERR, lass
     mich nicht zu spät kommen!« Lea blickte mich an. »Wohin
     wollt Ihr denn noch fliehen, Bruder Ranulf? Der Schwarze Tod ist überall.«
    »Ich will nicht fliehen«,
     erwiderte ich darauf, »ich will mich stellen. Und nicht die Seuche fürchte
     ich, sondern die Menschen.« Da ich nun keinen Grund mehr sah, ihr
     irgendetwas zu verheimlichen, berichtete ich ihr von der Verschwörung
     der Inquisition und wie sie so viele Menschen in Tod und Verderben gestürzt
     und so viele Bücher der Vernichtung anheimgegeben hatte.
    »Darum also musste mein
     Vater sterben«, sagte Lea und ihre Augen blitzten vor Zorn.
    »Und es wird noch viel
     Unglück über die Menschen kommen, wenn wir die Verschwörer
     nicht aufhalten«, antwortete ich. »Aber wo sollen wir sie
     suchen?«
    »Da, wo sie den Schatz
     der Templer versteckt halten«, rief ich. »Gold und Silber sind
     schwer. Wenn der Schatz wahrhaftig so gewaltig ist, wie man sich
     allerorten zuflüstert, dann bedarf es vieler Träger, um die
     Truhen zu bewegen, in denen er verborgen sein muss. Doch nun, da die
     Seuche unzählige Menschen dahingerafft hat und viele andere so von
     Sinnen sind, dass sie sogar Kirchen entweihen, werden die Inquisitoren
     kaum noch zuverlässige Träger finden können. Hast du noch
     einen Sergeanten gesehen? Oder einen Priester? Oder einen Mönch?
     Nein, die sind alle tot oder geflohen. Wenn wir also überhaupt noch
     eine Möglichkeit haben, Meister Philippe und seine Mitstreiter zu
     stellen, dann dort, wo sie den Schatz verborgen haben.«
    »Und Ihr kennt das
     Versteck?«
    »Der Inquisitor selbst
     hat es mir verraten!«, rief ich triumphierend. »Wiewohl er
     sich dessen nicht bewusst war. Denn er sagte zu mir über den Schatz:
     ›Dort ruht er noch heute an einem verborgenen Ort. Allen sichtbar
     und dem Himmel so nah wie nirgendwo sonst und doch unsichtbar für die
     Augen der Uneingeweihten.‹ Allen sichtbar und dem Himmel so nah wie
     nirgendwo sonst — welcher andere Ort könnte das sein, wenn
     nicht die Kathedrale Notre-Dame?«
    *
    So eilten wir denn zum größten
     Hause GOTTES von Paris. Doch auch SEIN Haus war nun zur Gruft geworden.
     Das mächtige Portal an der Westfassade stand offen, sodass Lea und
     ich ohne Schwierigkeiten hineingelangen konnten. Doch dann stockte uns der
     Atem. Vor den Altären waren die Kerzen heruntergebrannt. Einzig das
     Sonnenlicht, verschleiert von den heraufziehenden Gewitterwolken, brachte
     die gewaltigen Fenster zum Leuchten und füllte das Kirchenschiff mit
     Licht. Doch während manche Stellen deshalb in blauem und rotem Glanz
     erstrahlten, lagen andere schon in fast undurchdringlicher Düsternis.
     Schatten huschten durch den Raum und verschwanden wieder im Gewölbe.
    Einen Moment lang glaubte
     ich, es seien die Seelen der Toten. Ich bekreuzigte mich. Doch dann
     erkannte ich, dass es Fledermäuse waren, die sich an den Bögen
     und Kapitellen festgeklammert hatten. Lea und ich hatten sie
     aufgescheucht, als wir eingetreten waren. Wir waren allein — dachten
     wir zuerst. Doch kaum waren wir einige Schritte tiefer eingedrungen, da
     sahen wir, dass uns auch hier viele Tote Gesellschaft leisteten. Wir
     gewahrten die Körper von Dahingesunkenen zwischen Kirchenbänken
     und vor Altären. Vor der Pforte zur Sakristei lag ein Domherr, drei
     Priester und einen Mönch erblickten wir im Chor. Der Mönch war
     Dominikaner, ich kannte ihn vom Kloster.
    Schaudernd ging ich weiter,
     langsam durchmaßen wir die riesige, stille, düstere Kathedrale.
    »Haltet inne, Bruder
     Ranulf!«, flüsterte Lea mir zu und packte mich am Arm.
    Wir lauschten. Tatsächlich:
     Irgendwo im Zwielicht bewegte sich jemand.
    Ich glaubte auch, leise
     Schritte zu hören. Ich hob den Schürhaken und duckte mich. Der
     Unbekannte kam näher. Die Schritte schienen

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