In Nomine Mortis
Tänzer
in ihrem schauderhaften Reigen so in Angst versetzt, dass ich blindlings
auf die Insel gelaufen war. In meiner Furcht hatte ich weder nach links
noch nach rechts geblickt — und so hatte ich nicht bemerkt, ob die
Kogge noch im Hafen lag oder nicht. Dann hatte ich Lea gesucht, anschließend
war ich, besessen von meinen eigenen Dämonen, in die Kathedrale gestürzt.
Nun beklagte ich innerlich meine Hast und meine Angst.
Ich spähte Richtung
Hafen. Der andere Turm versperrte mir einen Teil der Sicht. Auch war der
Himmel nun vollständig schwarz. Blitze zuckten über das
Firmament und warfen grelles Licht über die Dächer, das die
Augen blendete. Der Rauch des Scheiterhaufens, um den die Tänzer
ihren Reigen drehten, zog in dichten grauen Schwaden herüber.
Trotzdem sah ich einen Mast
aufragen, höher als den aller anderen Schiffe: Die »Kreuz der
Trave« war noch da.
Als ich jedoch genauer
hinsah, bemerkte ich Bewegungen an Bord. Schatten huschten hierhin und
dorthin. Der Rauch des Feuers wurde immer dichter, die Wolken schluckten
auch das letzte Sonnenlicht, ich vermochte nicht mehr genau zu erkennen,
was dort vor sich ging. Doch ich glaubte, dass sich Gestalten am Segel zu
schaffen machten und andere an den Leinen, welche die Kogge mit dem Kai
verbanden. »Schnell!«, rief ich, in höchster Angst.
»Wir müssen zum Hafen!« Ich wollte die Treppe wieder
hinabstürzen — doch da stand ein Schatten in der Pforte und
versperrte uns den Weg.
*
Philippe de Touloubre sah aus
wie der Engel des Todes. Seine Kutte war schmutzig und mit Blut befleckt.
Seine Züge waren von Beulen und Wundmalen entstellt. Er stank wie ein
Wesen der Hölle, seine Augen glänzten fiebrig und in seiner
Linken blitzte die lange, scharfe Klinge eines venezianischen Dolches.
»Ich ahnte, dass du es
irgendwie bis hier hinauf schaffen würdest, Bruder Ranulf«,
stieß er keuchend hervor. »Oh, du wärest ein guter
Inquisitor geworden, vielleicht der beste der Christenheit! Doch statt
Ketzer zu jagen, bist du selbst zu einem geworden. Sogar eine Jüdin
bringst du hinauf in die Kathedrale von Paris!« Meine Seele war
kalt. Ich war ruhig, alle meine Sinne waren so klar, wie sie es wohl
niemals zuvor und auch niemals danach wieder waren. Ich hob den Schürhaken.
»Gebt den Weg frei,
Meister Philippe«, flüsterte ich.
»Niemals!«, rief
er irre lachend. »Du wirst die Kogge nicht aufhalten können. Du
wirst GOTTES Plan nicht stören!«
»GOTTES Plan?«,
sagte ich verächtlich. »Ein menschlicher Plan ist dies - und
Menschen mussten dafür sterben.«
»So wie auch ihr
sterben müsst!«, stieß der Inquisitor hervor. »Hier
werdet ihr fallen und die Raben werden euch fressen.« Mit diesen
Worten sprang Philippe de Touloubre auf mich zu. Ich wollte ihn mit dem
eisernen Haken treffen, doch ich bin ein Mann GOTTES und ein Mann der Bücher,
kein Kämpfer. Bevor ich überhaupt nur zum Schlag ansetzen
konnte, stand mein Gegner vor mir und stieß mir den Schürhaken
aus der Hand.
Wir stürzten zu Boden,
krachend brach ein Schreibpult, das im Weg stand, unter dem Aufprall
unserer Körper zusammen. Wir rangen mit der Kraft der Verzweiflung.
Das zerfressene Gesicht des Inquisitors war nur eine Handbreit von meinem
entfernt, sein fauliger Atem schlug mir ins Gesicht, ich roch Blut und
Schweiß. Wir wälzten uns über den Boden und knurrten und
keuchten dabei wie tollwütige Hunde. Verzweifelt hielt ich seine
Linke umklammert, damit sein Dolch mich nicht träfe.
Plötzlich kam der
Inquisitor jedoch auf mir zu liegen und drückte mich nieder. Ich
hielt seine Linke in eisernem Griff, doch seine Rechte hatte sich in meine
Fäuste gegraben, um mich zu schwächen. Langsam drückte er
die Spitze des Dolches tiefer hinunter. Noch zwei Handbreit trennten sie
von meiner Brust. Ich wand mich und versuchte, mich zu befreien, doch kam
ich nicht von ihm los. Immer tiefer drückte er die Waffe. Noch eine
Handbreit.
Dann schlitzte die
Dolchspitze meine Kutte auf. Ich sah rote und schwarze Farben und hörte
nur noch das Blut in meinen Adern rauschen und spürte schon das Eisen
auf meiner Haut. Da hörte ich, wie aus großer Ferne, einen
Schrei — und der Albdruck ließ nach. Mit letzter Kraft bäumte
ich mich auf und warf Philippe de Touloubre von mir. Dann krümmte ich
mich würgend zusammen,
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