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In Nomine Mortis

In Nomine Mortis

Titel: In Nomine Mortis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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wusste nicht, wo ich meine Hände lassen sollte, und mein Gesicht
     glühte, als quälte mich ein Folterknecht mit seinem
     Marterwerkzeug. Es war Lea, die meine Pein zwar nicht vertrieb, doch
     linderte, indem sie meine Starre löste. Denn sie richtete das erste
     Wort an mich - mit einer Frage, die mir seltsam dünkte. »Ihr
     seid sehr gelehrt, nicht wahr, Bruder?« 
    »Bruder Ranulf heiße
     ich, mein Fräulein«, antwortete ich mit zugeschnürter
     Kehle.
    »Frau, nicht Fräulein.
     Ich bin Witwe«, korrigierte sie mich. Sie blickte mich aufmerksam
     an, nicht unhöflich, nicht freundlich, sondern so, als wartete sie
     ab. »Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet, Bruder Ranulf.«
    Ich wusste nicht, wohin mit
     meinem Blick, wohin mit meinen Händen. »Gelehrt bin ich wohl
     schon«, murmelte ich, merkte dann, wie dumm dies klang, und setzte
     rasch hinzu: »Selbstverständlich nicht so gelehrt wie Meister
     Philippe, der Inquisitor.«
    »Selbstverständlich«,
     pflichtete sie mir ohne die Spur eines Lächelns bei.
    »Aber ich bin ein
     Magister der Sieben Freien Künste. Und ich werde, so GOTT es will, in
     Paris Theologie studieren«, setzte ich hinzu, langsam ein wenig von
     meiner Selbstsicherheit zurückgewinnend. »Ihr seid nicht von
     hier?«, fragte Lea. Ich schüttelte den Kopf. »Aus Köln
     komme ich.« Zum ersten Mal lächelte sie. »Ich bin in
     Paris geboren.« Dann wechselte sie unvermutet ins Deutsche, das sie
     mit einem seltsamen Akzent sprach, den ich nicht zu bestimmen vermochte.
     »Aber mein Vater hat mir oft von Würzburg erzählt, woher
     er stammt. Ich wünschte, ich würde es einmal sehen können.
     Genauso wie Spanien, wohin mein Vater für viele Jahre gegangen ist,
     als er noch ein junger Mann war.« Ich wusste nicht, was ich darauf
     antworten sollte, und beschränkte mich daher auf eine unverbindliche
     Geste.
    »Meine Stiefmutter ist
     dagegen, dass ich reise, denn das schickt sich nicht. Schon gar nicht für
     eine Jüdin«, fuhr sie fort und musterte mich dabei noch immer
     aufmerksam. »Mein Mann hätte mir dies wohl erlaubt, doch war er
     nicht mehr jung, als er mich zum Weibe nahm. Er wurde krank und starb,
     ohne dass ich auch nur einmal aus Paris herausgekommen wäre.«
    »GOTT sei seiner Seele
     gnädig«, murmelte ich mechanisch. »Seid Ihr schon weit
     gereist, Bruder Ranulf?«
    Ich rang mir ein Lächeln
     ab. »Das ziemt sich nicht für einen Mann von meinem Stand. Die
     Reise von Köln nach Paris ist die einzige, die ich bislang
     unternommen habe. Doch wer weiß, wohin mich der HERR noch schicken
     wird.«
    »Und trotzdem habt Ihr
     es besser getroffen als ich.« Lea seufzte, dann wandte sie sich um
     und ging zu einem der bis zur Decke reichenden Regale, wo acht besonders
     große, in feinstes Leder gebundene Folianten aus den Reihen der Bücher
     herausstachen. Sie nahm den ersten der acht Bände zur Hand.
    »Ich«, fuhr sie
     fort, während sie fast träumerisch die schweren pergamenten
     Seiten umblätterte, »darf nur im Geiste reisen, indem ich die
     Beschreibungen der Geografen lese.«
    »Ihr lest?«, rief
     ich verblüfft. »Aber«, ich suchte nach Worten, um meiner
     Fassungslosigkeit Herr zu werden, »Ihr seid doch eine Frau!«
     Da lachte die junge Jüdin. »Bruder Ranulf«, tadelte sie
     mich, doch ihr Ton war plötzlich freundlich geworden, »gelehrt
     mögt Ihr sein, doch die Welt kennt Ihr nicht. Wir Juden lesen Thora,
     Mischna und Talmud, wusstet Ihr das nicht? Ich studiere unsere heiligen
     Texte — und was mir sonst lesenswert erscheinen mag - auf Hebräisch
     und Latein, auf Französisch und Deutsch, ganz wie es mir gefällt.«
     Da ich ihr nicht antwortete, denn ich wusste nichts zu erwidern, fuhr sie
     nach einer kurzen Pause fort: »Kennt Ihr die ›Geografie‹
     des Ptolemaeus?«
    Ich erholte mich wenigstens
     so weit von der Überraschung, ja dem Schock, eine Frau über Bücher
     reden zu hören, dass ich ihr vernünftig antworten konnte.
     »Ptolemaeus ist der größte Geograf der Alten«,
     murmelte ich, während ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was
     ich über ihn gelesen hatte. »Ein Grieche, wenn ich mich nicht
     irre.« Lea lächelte. »Immerhin kennt Ihr seinen Namen.
     Ptolemaeus lebte vor über eintausend Jahren«, fuhr sie dann
     fort und strich wieder fast zärtlich über den Folianten, »doch
     vieles von dem, was er in seinen acht Bänden festgehalten hat, ist
     niemals an Wissen übertroffen worden. Das

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