Infernal: Thriller (German Edition)
kommen Sie hoch. Sie kennen meine Zimmernummer?«
»Ja.«
»Können Sie mir auf dem Weg nach oben eine Cola oder etwas in der Art besorgen? Ich brauche etwas Koffein.«
»Normale Cola oder Diät?«
»Was glauben Sie?«
»Normale.«
»Gut geraten.«
»Ist unterwegs.«
Ich lege auf und stolpere ins Badezimmer. Die benommene Schwere meiner Müdigkeit sagt mir, dass die letzten Tage doch anstrengender waren, als ich gedacht habe. Ich lasse das Licht im Badezimmer ausgeschaltet, putze mir die Zähne und wasche mir das Gesicht. Einen Augenblick lang überlege ich, ob ich Make-up auflegen soll, aber es ist die Mühe nicht wert. Wenn er mich nicht mag, wie ich bin, dann soll es eben nicht passieren.
Allerdings muss ich etwas mit meinem Babydoll-Nachthemd machen. Das kurze pinkfarbene Horrorteil sieht aus wie etwas, das junge Frauen in den Studentinnenvereinigungen der fünfziger Jahre getragen haben. Als ich es zum ersten Mal gesehen habe, glaubte ich an einen dummen Scherz, doch die FBI-Agentin, die es mir brachte, hat wahrscheinlich selbst so etwas in ihrem Kleiderschrank zu Hause. Ich schlüpfe aus dem Nachthemd und ersetze es durch ein weißes Baumwoll-T-Shirt und die Jeans, die ich gestern schon angehabt habe.
Kaiser klopft leise, um Wendy im Zimmer nebenan nicht zu alarmieren. Ich spähe durch den Türspion, um sicherzugehen, dass er es auch ist, dann öffne ich rasch die Tür. Er tritt ein, grinst und stellt zwei beschlagene Dosen Cola auf den Tisch. Er öffnet eine davon und reicht sie mir.
»Danke.« Ich nehme einen tiefen Schluck, bis mein Hals brennt. »Müde?«
»Ziemlich, ja.«
»Was haben Sie für ein Gefühl wegen des Falls?«
Er zuckt die Schultern. »Kein besonders gutes.«
»Glauben Sie, dass Wheaton und Smith ein Verhältnis haben?«
»Ich weiß nicht, was diese Besuche sonst zu bedeuten haben könnten.«
»Sie könnten alles Mögliche bedeuten. Beispielsweise Diskussionen über Kunst.«
»Mein Gefühl sagt mir etwas anderes.«
»Meins auch. Was ist nur los mit Lenz? Er redet nicht viel in Ihrem Beisein, wie?«
»Seit er das FBI verlassen hat, ist ihm bewusst geworden, wie schnell man in Vergessenheit geraten kann. Er will zeigen, dass das, was heute in Quantico sitzt, nur zweite Wahl ist.«
»Er war nicht überrascht, als ich vorschlug, dass einer der Verdächtigen vielleicht der Mörder ist, ohne es zu wissen.«
»Stimmt.« Er sieht mich wissend an.
»Gefällt Ihnen diese Theorie?«
»Nein. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass irgendjemand elf Entführungen durchführt und gleichzeitig malt wie Rembrandt. Trotzdem werde ich der Möglichkeit nachgehen und versuchen herauszufinden, ob einer der drei männlichen Tatverdächtigen als Kind sexuell missbraucht wurde.« Er öffnet seine Cola und nimmt einen Schluck. »Wollen wir die ganze Nacht über den Fall reden?«
»Ich hoffe nicht.«
Ich gehe zur anderen Seite des Raums und ziehe die Vorhänge beiseite. Dahinter liegt ein großes Fenster mit Ausblick aus dem vierzehnten Stock über den Lake Pontchartrain, eine leicht veränderte Version gegenüber dem Panorama aus der FBI-Niederlassung weiter östlich. Der See ist schwarz bis auf die Reihe fluoreszierender Lichter des Damms, die weiter nördlich im Dunst verschwinden. Ich gehe zurück und setze mich ans Fußende meines Bettes. Kaiser zieht seine Jacke aus und hängt sie über einen Stuhlrücken, dann setzt er sich mir gegenüber, etwas mehr als einen halben Meter entfernt, die Pistole noch am Gürtel.
»Worüber sollen wir reden?«, fragt er.
»Warum erzählen Sie mir nicht, was Sie beschäftigt?«
Ein winziges Lächeln. »Sie.«
»Und warum glauben Sie, dass das so ist?«
Er schüttelt den Kopf. »Ich wünschte, ich wüsste es. Wissen Sie, wie das ist, wenn man etwas verliert und es erst dann wiederfindet, wenn man aufgegeben hat, danach zu suchen?«
»Ja. Aber manchmal braucht man es dann nicht mehr, was auch immer es war.«
»Das, was ich meine, braucht jeder Mensch.«
»Ich denke, Sie haben Recht.« Mir ist ganz warm, aber ein tieferes Gefühl hindert mich daran, mich dem Augenblick hinzugeben. Ich trinke einen weiteren Schluck von meiner Cola. »Ich habe Ihnen von meinen Problemen mit Männern erzählt. Von meinen Verabredungen. Von Männern, die meinen, dass sie mich wollen, und dann feststellen, dass sie mit meinem Leben nicht klarkommen.«
»Ich erinnere mich.«
»Erzählen Sie mir von sich. Sie sind keiner, der einfach aufgibt. Was hat Sie und Ihre Frau
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