Infernal: Thriller (German Edition)
und meine Brüste die einzigen Teile von mir, die er jemals geschmeckt hat.
»Zieh dich an«, sagt er. »Du fährst mit.«
Ich bewege mich nicht, genau wie er. Wie wir nackt in der Wanne stehen und das Wasser an uns herabtropft, haben wir beide das Gefühl, dass Baxters Eröffnung nicht real war. Doch sie ist es. Und ich habe das unbestimmte Gefühl, dass es, sobald wir erst aus dieser Wanne gestiegen sind, eine lange Zeit dauern wird, bevor wir wieder so intim miteinander werden können.
»Alles in Ordnung?«, fragt er und streichelt meine Wange.
»Ich denke schon. Was ist mit dir? Kannst du warten, bis wir wieder zurück sind, ganz gleich, wie lange es dauert?«
Er nickt, doch die Antwort kommt nicht aus seinem Herzen.
»Haben wir noch dreißig Sekunden?«
Er nickt erneut.
»Warte hier.«
Auf der Kommode neben dem Waschbecken liegen Pröbchen mit Seife, Shampoo, Feuchtigkeitscreme und einer Handlotion. Ich öffne die Lotion und kehre damit in die Wanne zurück.
»Ich breche eine meiner eigenen Regeln«, sage ich zu ihm. »Aber du kannst dich später bei mir revanchieren.«
Er stöhnt laut auf, als ich meine feuchten Hände um ihn schließe, doch in den wenigen Sekunden, die es braucht, bis er kommt, füllt sich mein Kopf mit Bildern der mitfühlenden Frau, die ich an diesem Nachmittag kennen gelernt habe, der nicht wirklich lesbischen Sabine-Künstlerin Thalia Laveau, und in meinem Herzen steigen Angst und Entsetzen auf. Sie ist eine Frau, die aus ihrem Zuhause und dem Schoß der Familie geflüchtet ist, um sexuellem Missbrauch zu entkommen, und nun ist sie der Gnade eines Mannes ohne Gnade ausgeliefert. Es ist unwahrscheinlich, dass ich Thalia jemals wiedersehen werde.
Das Operationszentrum, das ich bis jetzt noch nie betreten habe, ist das Herz der gesamten Ermittlung. Es ist riesig – mehr als zweihundertfünfzig Quadratmeter – mit zwei langen Tischreihen, die sich parallel zu den Seitenwänden gegenüberstehen. Es sieht aus wie ein naturwissenschaftliches Labor in einer Schule, nur viel größer. Hinter den Tischen sitzen Männer und Frauen mit Reihen von Telefonen, die unbenutzten markiert mit leuchtend roten Schildchen: »Nicht abhörsicher!«
John postiert Wendy Travis an der Tür, dann führt er mich in das Zentrum. Wendy war schweigsam während der Fahrt hierher; selbst als John versucht hat, sie in unsere Unterhaltung mit einzubeziehen, blieb sie einsilbig und distanziert. Ich habe mit ihr empfunden, doch im Augenblick steht mehr auf dem Spiel als verletzte Gefühle. Als John und ich den ersten Tisch erreichen, wenden sich mir wenigstens zwanzig Gesichter zu, bevor sie sich untereinander verwirrte Blicke zuwerfen. Die unausgesprochene Frage hängt so deutlich in der Luft, als wäre sie in großen Lettern an die Wand gemalt: Was zur Hölle hat sie hier zu suchen? Doch nach einigen Sekunden wenden sich alle wieder ihrer Arbeit zu.
An der Stirnseite des großen Raums und den Tischen zugewandt ist eine Reihe überdimensionaler Computerbildschirme aufgebaut, auf denen verschiedene Gebäude zu sehen sind. Es sind die Häuser der vier Hauptverdächtigen sowie das Woldenberg Art Center der Tulane University. Während ich hinsehe, fährt ein Wagen an Frank Smiths Cottage vorbei über die Esplanade. Also handelt es sich um eine Live-Überwachung diverser Gegenden von New Orleans. Hinter den Monitoren hängt ein gewaltiger Bildschirm an der Wand. Schriftzeichen rollen zeilenweise herab. Neben jeder Zeile wird die jeweilige Uhrzeit angezeigt. Es ist eine Zeittafel der gesamten aktuellen Ermittlung, auf der jedes Detail vermerkt ist, angefangen bei den Bewegungen und Telefonaten der Verdächtigen bis hin zu den Aktivitäten der verschiedenen Strafverfolgungsbehörden, die mit der Untersuchung von Thalia Laveaus Verschwinden befasst sind. Ich fühle mich, als würde ich im Hauptquartier des Großen Bruders in George Orwells »1984« stehen.
»Da wären wir also«, sage ich leise. »Das geheimnisvolle Operationszentrum. Wo sind Baxter und Lenz?«
»Baxter ist hier«, sagt die vertraute Stimme des Chefs der ISU hinter mir.
»Genau wie Lenz«, sagt der Psychiater.
»Wie siamesische Zwillinge«, sage ich und wende mich zu ihnen um. »An der Hüfte zusammengewachsen.«
Baxter sieht aus, als hätte er seit sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen. Aus den dunklen Ringen um seine Augen sind schwarze Säcke geworden, und seine Haut hat den blassen Teint eines Sträflings. Er wirft John einen
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