Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
beiden Formeln zu den Männern zu
gehen, die dafür Verwendung hatten, und schon wäre er ein gemachter Mann.
Mym wußte, daß dieses Genie sich tatsächlich an die Militärs gewandt hatte, und seitdem
einen aufwendigen Lebensstil pflegte. Glücklich war der ehemalige Bauer allerdings nicht
geworden. Er durfte sich niemandem außerhalb eines bestimmten Personenkreises zu erkennen geben,
da er sonst unweigerlich feindliche Spione angelockt hätte. Also gab er sich als Bauer aus, der
durch eine Erbschaft zu einem kleinen Vermögen gekommen war. Doch er gierte nach Macht,
Anerkennung und schönen Frauen. Er wollte, daß die höchsten Vertreter des Staates ihn um Rat
fragten, und daß das Volk ihn verehrte.
Der Prinz brauchte nicht lange zu raten, was dem Träumer in Wirklichkeit fehlte. Der Mann war vom
Drachen der Verblendung gebissen worden, und dessen Gift breitete sich unaufhaltsam in ihm
aus.
Er wollte immer mehr Ruhm und Macht, und kein Erfolg vermochte ihn über den Moment hinaus zu
befriedigen.
Wieder träumte der Mann von der Mauer und der Tür. »Ich würde andere Träume träumen«, warnte ihn
Mym. Doch der Mann kümmerte sich nicht darum. Er hatte schon zuviel Drachengift in sich, um noch
von dieser Droge lassen zu können.
Der Prinz zog sich aus dem Mann zurück. Er beobachtete, wie der Mann sich vorsichtig bewegte; er
öffnete die Traumtür, und sofort schienen seine Hände zu verkrüppeln.
Einen Moment blieb der Mann reglos stehen. Er suchte wohl nach einer Möglichkeit, das brennende
Buch zu öffnen. Seine Hände waren nicht mehr zu gebrauchen, und so hob er endlich ein Bein,
öffnete im Traum die Seiten mit den Zehen.
Der Prinz wollte nicht länger bleiben. Er wußte, wie es weitergehen würde. Jede neue Information
würde den Mann ein Körperteil kosten. Nach den Füßen mußte er versuchen, das Buch mit den Zähnen
zu öffnen, dabei würde er seinen halben Kopf verlieren. Und das würde sein Ende sein.
Mochte er auch äußerlich ganz normal erscheinen, so wäre sein Geist doch vom Gift vernichtet
worden.
Mym rief Werre und kehrte zum Schlachtfeld zurück. Chronos wartete dort schon auf ihn.
»Hattet Ihr nicht zugesagt, eine Ladung Korn zu besorgen?« fragte der Prinz.
»Die habe ich schon letzte Woche besorgt«, antwortete Chronos.
»Aber ich war nicht länger als ein paar Stunden fort!«
»Ihr scheint meine Natur zu vergessen.«
Mym erinnerte sich an die andersartigen Zeitabläufe seines Kollegen. »Wo habt Ihr denn das
Getreide hingeschafft?«
Chronos seufzte. »Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand. Leider stand mir eine
unbezwingbare Macht im Wege.«
»Welche Macht?«
»Die Korruption.« Und dann erzählte Chronos seine Geschichte. Er hatte aus der Zukunft eine
Schiffsladung Korn in die Gegenwart beordert und einen Zug aufgetrieben, der es ins Zielgebiet
transportieren konnte. Doch schon am ersten Haltepunkt waren Regierungsbeamte gekommen und hatten
einen Teil der Ladung reklamiert.
Chronos hatte ihnen zu erklären versucht, zu welchem Zweck das Getreide bestimmt war, doch auf
diesem Ohr schienen die Beamten taub zu sein. Sie beschlagnahmten eine bestimmte Menge, und dann
erhielt der Zug die Erlaubnis zur Weiterfahrt. Am nächsten Haltepunkt wiederholte sich das
gleiche Spiel. Wieder beschlagnahmten Beamte einen Teil der Ladung. So ging es weiter, bis alle
Waggons ausgeräumt waren. Dagegen hatte Chronos nichts ausrichten können. Er vermochte es, die
Zeit nach seinem Willen zu gestalten, doch gegen die Korruption war er machtlos. Gier und
Bestechlichkeit hatten sich als stärker als die Zeit erwiesen. Das Korn wurde nun auf dem
Schwarzmarkt verkauft, und kein einziger Sack Getreide würde jemals in die Hungerregion
gelangen.
»Diese Regierung!« schimpfte der Prinz. »Sie sollte den Zug beschützen, nicht aber
ausrauben!«
»Nun ja, werter Kollege, hier wird immerhin ein Krieg geführt, und da kann man von der Regierung
kaum verlangen, daß sie tatenlos zusieht, wie der Feind mit Nahrung versorgt wird«, merkte
Chronos an.
Mym sah ein, daß hinter diesem Argument eine gewisse Logik steckte. Kriegsparteien versuchten
sich zu schwächen, wo sie nur konnten. Der Prinz ballte die Fäuste. »Manche Kriege werden zu
Recht geführt!« sang er laut. »Zum Beispiel, um Regierungen wie diese zu stürzen!«
»In gewisser Weise habt Ihr durchaus recht«, sagte Zeit. »Allerdings habt Ihr mir diese These
schon einmal vorgetragen.«
Mym war verblüfft.
Chronos
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