Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
Richard, »deshalb braucht sie keinen richtigen Laderaum. Der Kapitän verstaut die Fracht normalerweise im Orlopdeck und die Sklaven hier, wo wir jetzt sind. Die Matrosen schlafen im Achterschiff. Das Achterdeck ist dem Kapitän vorbehalten.« Sein Blick wurde neugierig. »Ich nehme an, er hat eure Offiziere im Achterdeck einquartiert.«
    »Ja, aber in einem winzigen Kabuff«, erwiderte derjenige, der Pökelfleisch und Brot austeilte. »Sie dürfen seine Kombüse nicht benützen, deshalb müssen sie mit uns essen. Sie dürfen nicht einmal in die große Kajüte - die hat er für sich und seinen Ersten Offizier reserviert. So etwas habe ich noch nie erlebt. Aber ich bin auch noch nie auf einem Schiff gefahren, das nicht der Marine gehört.«

    »Dann rutscht ihr ja unter die Wasserlinie, wenn erst mal die Fracht an Bord ist«, sagte Richard nachdenklich. »Und die Alexander wird eine Menge Fracht transportieren. Für eine zweimonatige Etappe dürfte sie allein schon zwanzigtausend Gallonen Trinkwasser bunkern.«
    »Für einen Schankwirt kennst du dich aber gut mit Schiffen aus«, sagte der Bursche, der Wasser ausgab.
    »Ich stamme aus Bristol, dort dreht sich alles um Schiffe. Ich heiße übrigens Richard. Darf ich eure Namen erfahren?«
    »Ich heiße Davy Evans, und das ist Tommy Green«, antwortete der Wasserschöpfer. »Im Moment können wir an unserer Situation nicht viel ändern, aber nächste Woche kommen wir nach Portsmouth, und dann wird Major Ross Captain Duncan Sinclair den Marsch blasen.«
    »Ach ja, der Vizegouverneur und Kommandeur der Seesoldaten.«
    »Woher weißt du das?«
    »Von einem Freund.«
    Später, als Richard sein Wasser filterte, dachte er über die Antworten nach, die er auf seine Fragen bekommen hatte. Die Schiffseigner, die sich den Auftrag geangelt hatten, hatten ein paar Details bezüglich der Alexander verschwiegen und beschlossen, den Umstand zu ignorieren, dass sie neben den Sträflingen auch Seesoldaten unterbringen mussten. Diese jungen Burschen hatten Recht - die Eigner machten zwischen Seesoldaten und Sträflingen keinen Unterschied. Nächste Woche segelten sie also nach Portsmouth, und der Kapitän hieß Duncan Sinclair und war demnach mit Sicherheit ebenso Schotte wie Robert Ross, der Befehlshaber der Seesoldaten. Dass die beiden sich streiten würden, war abzusehen.
     
    Weder in dieser noch in den beiden darauf folgenden Wochen segelte die Alexander nach Portsmouth. Erst am 10. Februar nahm sie unter dem Gestöhn und Gewimmer derer, die seekrank zu werden fürchteten, Fahrt auf. Doch sie lief lediglich bis Tilbury, und auch das nur im Schlepp eines Tenders, sie blieb also in den geschützten
Gewässern der Themse und geriet kaum einmal ins Schaukeln.
    Mittlerweile befanden sich 190 Sträflinge an Bord, obwohl ein paar gestorben waren. Leutnant Shairp hatte in dem Bemühen, die unbekannte Krankheit einzudämmen, die oberen Etagen einiger Verschläge in der Mitte des Raums herunternehmen und hinter den Tischen als Pritschen für die Kranken aufstellen lassen.
    Die Männer murrten, weil sie noch immer Handfesseln tragen mussten, doch Sergeant Knight, der sich bei der Beschaffung von Brettern, Stützen und anderen nützlichen Dingen gegen ein Trinkgeld sehr kooperativ zeigte - Richards Männer waren beileibe nicht die Einzigen, die den Durst des Sergeants zu nutzen wussten -, lehnte es ab, ihnen die lästigen Eisen abzunehmen. Jedenfalls bis zu jenem Tag, an dem einer der Sträflinge begnadigt und freigelassen wurde und die Übrigen ihrem Unmut durch Klopfen, Brüllen und Hämmern Luft machten. Es war zum Verrücktwerden. Als die beiden Seesoldaten wieder herunterkamen, um die Essens- und Wasserrationen zu verteilen, montierten ihre Kameraden die Drehbasse am Lukenrand und nahmen mit Musketen um das Loch Aufstellung. Dabei wurde ihnen klar, wie wenig sie waren, um 190 aufgebrachte Männer in Schach zu halten.
    Duncan Sinclair ließ daraufhin den Sträflingen die Handschellen abnehmen und erteilte ihnen die Erlaubnis, sich jeden Tag ein paar Minuten in Zwölfergruppen an Deck die Beine zu vertreten. Da er jedoch für jeden entflohenen Sträfling 40 Pfund aus der eigenen Tasche bezahlen musste, ließ er Beiboote mit Seesoldaten und einigen Matrosen bemannen und ständig um die Alexander herumpullen.
    Die wenigen Minuten an Deck gehörten zum Schönsten, was Richard jemals erlebt hatte. Die Fesseln kamen ihm federleicht vor, die kühle Luft roch süßer als Veilchen und Goldlack, der

Weitere Kostenlose Bücher