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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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angeschwollene Fluss erschien ihm wie ein Band aus flüssigem Silber, und der Anblick der Tiere, die auf dem Deck herumtollten, war ein lustvolleres Vergnügen, als mit Annemarie Latour zu schlafen. Anscheinend besaß mindestens die Hälfte der Seesoldaten und auch ein Teil der Mannschaft einen Hund. Richard sah Jagdhunde, Bulldoggen,
Spaniels, Terrier und jede Menge Bastarde. Der große orangefarbene Kater hatte mit einer Schildpattkatze sechs Junge gezeugt, und auch die meisten Schafe und Schweine waren trächtig. Enten und Gänse watschelten umher, und nur die Hühner waren neben der Mannschaftskombüse in einen Stall gesperrt.
    Nach dem ersten Spaziergang fand Richard den Gefängnismief etwas erträglicher, und den anderen ging es ähnlich. Der Aufruhr war in dem Augenblick vorbei, als die Handfesseln fielen und die Gefangenen an Deck gehen durften.
    Beim dritten Spaziergang bekam Richard endlich Captain Sinclair zu Gesicht. Ein selten fetter Kerl! Richard glaubte nicht richtig zu sehen. Wie konnte der Mann eigentlich pinkeln, wo er doch mit den Armen unmöglich seinen Hosenstall erreichte? Klirrend schlurfte Richard unter dem Achterdeck vorbei, auf dem Captain Sinclair stand.
    Eine Sekunde lang blickte er in zwei verschlagene, graue Augen. Er senkte ehrerbietig den Kopf und ging weiter. Der Mann ist zwar dick, dachte Richard, aber nicht zu unterschätzen. Er mag faul und träge sein, aber wenn es hart auf hart geht, steht er gewiss seinen Mann. Er und Major Ross werden in Portsmouth sicher aneinander geraten, wenn es darum geht, wo die Seesoldaten künftig ihre Hängematten aufzurren dürfen. Schade, dass ich den Auftritt nicht miterleben darf, wenngleich ich das Ergebnis natürlich erfahren werde. Davy Evans und Tommy Green werden es mir brühwarm erzählen.
    Ende Januar drehten zwei weitere Schiffe vor Tilbury Fort bei, ein großes Linienschiff 6. Ranges und eine schmucke Slup. Beim nächsten Ausflug an Deck trat Richard sofort an die Bugreling und sah sich die beiden Fahrzeuge an, deren Ankunft sich im Gefängnis bereits herumgesprochen hatte. Richard und seine fünf Gefährten hatten vereinbart, sich an Deck zu trennen, um die kurze Zeitspanne dazu zu nutzen, sich von der ständigen Nähe der anderen zu erholen. Da Fluchtversuche bislang ausgeblieben waren, nahmen es die Seesoldaten mit der Bewachung nicht mehr ganz so genau und ließen die Gefangenen in Ruhe, solange sie manierlich ihre Runden drehten. Richard stand also allein an der Reling und
blickte übers Wasser, nicht ahnend, dass er den scharfen Augen eines Besatzungsmitglieds aufgefallen war.
    »Das ist die Eskorte, die uns zur Botany Bay begleiten wird«, sagte eine Stimme neben ihm, eine angenehme, sympathische Stimme. Richard wandte den Kopf und erblickte den Mann, der, wie er sich hatte sagen lassen, den Posten des vierten Maats bekleidete. Er war groß und schlank, sah gut aus, für den Geschmack des einen oder anderen vielleicht zu feminin, und hatte dunkle Haare, fröhliche blaue Augen und tiefschwarze Wimpern.
    »Stephen Donovan aus Belfast«, stellte er sich vor.
    »Richard Morgan aus Bristol.« Richard trat ein wenig zurück, damit nicht der Eindruck zu großer Vertraulichkeit entstand, und lächelte. »Was können Sie mir über die Schiffe sagen, Mr Donovan?«
    »Das große ist die Berwick , ein ehemaliges Versorgungsschiff der Marine. Sie wurde frisch überholt und zu einer Art Linienschiff umgebaut. Sie heißt jetzt Sirius , nach einem südlichen Stern der ersten Klasse. Sie ist mit sechs Karronaden und vier Sechspfündern bestückt, obgleich ich gehört habe, dass Gouverneur Phillip unbedingt vierzehn Sechspfünder haben will. Und ich kann es ihm nachfühlen, wenn ich daran denke, dass die Alexander über vier Zwölfpfünder und eine Drehbasse verfügt.«
    »Die Alexander «, sagte Richard vorsichtig, »ist nicht nur ein Sklavenschiff aus Bristol. Sie war früher ein Freibeuter mit sechzehn Zwölfpfündern. Selbst mit vier Zwölfpfündern ist sie fast jedem Schiff überlegen, das sie aufzubringen versucht, sofern es sie überhaupt einholt. Bei günstigem Wind macht sie annähernd zweihundert Seemeilen am Tag.«
    »Ich mag Männer aus Bristol«, sagte Mr Donovan. »Sind Sie Seemann?«
    »Nein, Gastwirt.«
    Die leuchtend blauen Augen ruhten geradezu zärtlich auf Richards Gesicht. »Sie sehen mir aber gar nicht wie ein Gastwirt aus.«
    »Es liegt in der Familie«, sagte Richard. »Mein Vater ist auch Wirt.«

    »Ich kenne Bristol.

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