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Insel der Verlorenen Roman

Titel: Insel der Verlorenen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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untergebracht.«
    Zum Abendessen bekamen sie wie gewöhnlich Hartbrot mit Rindfleisch, doch diesmal war das Fleisch frisch und nicht gepökelt, und als Beilage gab es Kohl und Lauch. Das Gemüse schmeckte wie Ambrosia.
    Danach gerieten sie in Vergessenheit. Niemand wagte sich in ihre Nähe, nur zwei verängstigte junge Seesoldaten - Davy Evans und Tommy Green waren fort - brachten ihnen frisches Fleisch und Gemüse. Die Tage verstrichen in dumpf brütender Stille, nur unterbrochen vom Stöhnen der Kranken und gelegentlichen kurzen Gesprächen. Der Februar verging und der März schleppte sich dahin. Weitere Kranke starben und wurden einfach liegen gelassen.
    Als endlich jemand die vordere Luke öffnete, geschah dies nicht, um die Leichen zu entfernen. Fünfundzwanzig neue Sträflinge wurden in das stinkende kalte Gefängnis getrieben.
    »Himmeldonnerwetter«, fluchte die Stimme John Powers. »Sind die noch ganz bei Trost, diese Schwachköpfe? Hier unten ist alles krank, und die stopfen die Bude wieder voll! Herrgott noch mal!«
    Ein interessanter Mann, dieser John Power, dachte Richard. Er sorgt vorn unter den schweren Jungs aus dem London Newgate für Ordnung. Jetzt gebietet er nicht nur über das Krankenrevier, sondern auch über eine neue Gruppe von Insassen. Armer Hund. Unsere Zahl war von 200 auf 185 geschrumpft, jetzt sind wir 210.
    Bis zum 13. März starben weitere drei Männer. Auf den Pritschen
des Krankenreviers lagen sechs Leichen, mehrere davon seit über einer Woche. Niemand kam herunter, um sie fortzuschaffen. Mittlerweile war es ein offenes Geheimnis, dass sie die Pest an Bord hatten. Am 13. März öffnete sich kurz nach Tagesanbruch die vordere Luke, und Seesoldaten mit Handschuhen und vermummten Gesichtern kamen herunter und trugen die sechs Leichen hinauf.
    »Warum?«, fragte Will Connelly. »Nicht dass ich etwas dagegen hätte, Gott bewahre. Aber warum gerade jetzt?«
    »Vermutlich steht uns hoher Besuch ins Haus«, sagte Richard. »Putzt euch heraus, Jungs, ihr müsst vor Gesundheit nur so strotzen.«
    Und tatsächlich, kaum waren die Leichen fort, erschien Major Ross in Begleitung von Leutnant Johnstone, Leutnant Shairp und einem Fremden, der, nach seinem Auftreten zu urteilen, Arzt war. Ein schlanker Mann mit langer Nase und großen blauen Augen, dem eine hübsche blonde Locke in die blasse breite Stirn fiel. Sie brachten Laternen und eine Eskorte von zehn Seesoldaten mit, die sich in den Gängen auf der Backbord- und Steuerbordseite verteilten und aussahen wie Männer, die ins Verderben geschickt wurden - jung genug, um sich einschüchtern zu lassen, und alt genug, um zu wissen, was für ein Gespenst hier unten umging.
    Weiches goldenes Licht erfüllte den Raum, und endlich sah Richard die Schreckenskammer in allen Einzelheiten. Die Kranken belegten inzwischen alle vierunddreißig Pritschen, die, abgetrennt von den anderen, in der Mitte des Raums vor den Tischen standen. Dahinter, in der Nähe des Bugs, wo der Vormast das Deck durchbohrte, befand sich ein Schott, das viel schmaler war als das hinter Richards Koje. Die zweistöckigen Bettkästen liefen ohne Unterbrechung rings um den ganzen Raum. So also stellen sie es an, dachte Richard! So schaffen sie es, 210 arme Teufel in einen Raum zu pferchen, der an der breitesten Stelle ganze 35 Fuß misst und keine 70 Fuß lang ist. Wir liegen hier wie Flaschen in einem Regal. Kein Wunder, wenn wir sterben. Im Vergleich hiermit ist Gloucester ein Paradies - dort kommt man wenigstens an die frische Luft und darf arbeiten. Hier gibt es nur Dunkelheit und Gestank,
Untätigkeit und Wahnsinn. Unablässig predige ich meinen Leuten, dass wir durchhalten müssen, aber wie sollen wir hier überleben? Mein Gott, es ist zum Verzweifeln.
    Alle drei Offiziere waren ihrem Akzent nach Schotten. Ross war ein mürrischer Rotblonder, schmächtig und mit einem nichts sagenden Gesicht bis auf den schmalen, energischen Mund und die kalten hellgrauen Augen.
    Zunächst unternahm er, an Steuerbord beginnend, einen Rundgang durch das Gefängnis. Er ging gemessenen Schrittes wie bei einer Beerdigung und drehte den Kopf mit der Gleichmäßigkeit eines Uhrwerks von einer Seite auf die andere. Bei den Pritschen der Kranken blieb er stehen, nahm ohne jedes Anzeichen von Furcht die Kranken in Augenschein und tuschelte mit dem Arzt, der mehrfach energisch den Kopf schüttelte. Dann setzte er seine Runde fort, schritt an den Bettkästen am Vormast entlang und kam den Gang auf der

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