Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
ein paar vage Vermutungen. Und es wäre immerhin möglich, dass diese Vermutungen nur auf grundsätzlich unterschiedlichen Ansichten darüber beruhen, was Alice braucht. Vorhin habe ich mit einer Freundin aus dem College darüber gesprochen, und sie hat vorgeschlagen, eine Nanny-Cam zu benutzen.“
Wanda pfiff leise. Janya runzelte fragend die Stirn, also erklärte Tracy, was es damit auf sich hatte. „Es ist eine versteckte Kamera. Und sie zeichnet Menschen auf, ohne dass sie etwas davon ahnen.“
„Ist das denn erlaubt?“
„Ich kann Kenny fragen.“ Wanda wischte sich ein paar Kuchenkrümel von den Händen und griff nach ihrer Kaffeetasse. „Er weiß, was wir tun können – wenn wir überhaupt etwas tun können.“
„Und dann müssen wir uns entscheiden, ob wir es machen wollen. Immerhin ist es ein enormer Eingriff in die Privatsphäre.“
„Lasst uns erst mal abwarten und sehen, was Ken sagt. Nach allem, was wir wissen, wird so etwas häufiger gemacht.“
„Das ist kein schöner Gedanke.“
Wanda wandte sich Janya zu. „Und jetzt zum Klatsch und Tratsch. Wer war der gut aussehende Mann, der am Montagabend vor deiner Haustür gewartet hat, nachdem du mich nach Hause gebracht hast? Der, mit dem du dich im Garten unterhalten hast?“
Tracy bemerkte Janyas überraschte Miene.
„Das hast du gesehen?“
„Chase war den ganzen Nachmittag eingesperrt, während du und ich unterwegs waren. Er musste nach draußen. Ich habe nur einen kurzen Blick auf euch erhascht. Natürlich geht mich das nichts an …“ Wandas Tonfall machte deutlich, dass der letzte Satz eher eine förmliche Floskel als ernst gemeint war.
„Das war ein Mann, den ich aus Indien kenne.“ Janya wirkte, als würde sie mit sich kämpfen. „Darshan.“
„Was?“ Tracy schlug auf das Sofa. „Machst du Scherze? Der Mann, den du heiraten wolltest? Er ist hierhergekommen? Den ganzen Weg nach Florida? Um dich zu sehen? Warum?“ Sie fügte Wandas Worte an – mit dem gleichen Mangel an Überzeugungskraft. „Natürlich geht mich das nichts an …“
„Sagt ihr Amerikaner das eigentlich immer? Wenn ihr alles ganz genau wissen wollt?“
„Nur wenn wir uns bemühen, höflich zu sein.“
„Ich bin mir nicht sicher, was er von mir will. Er sagt, dass er mich noch immer liebt.“
„Hör auf!“
Janya sah wieder einmal verwirrt aus. „Soll ich? Bist du wütend oder so?“
„Nein, nein! Das ist nur so ein Ausruf. Das bedeutet so viel wie ‘Machst du Scherze?’ oder ‘Ist das dein Ernst?’. Ich will nicht wirklich, dass du aufhörst zu erzählen. Ich möchte hören, was er gesagt hat.“
„Er sagte, dass meine Hochzeit ein Fehler gewesen sei.“
„Dieser Kerl ist wirklich ein Meister des genauen Timings“, bemerkte Wanda. „Nachdem du jetzt verheiratet bist, kann er alles sagen, was er will. Was tut das nun noch zur Sache?“
„Aber warum sollte er sich die Mühe machen?“ Tracy spürte, wie aufgewühlt Janya war, doch die Frage schien ihr angemessen. „Was wollte er von dir? Vergebung? Den Segen für seine Hochzeit? Oder ist er schon verheiratet?“
„Er heiratet erst im September.“
„Und ist das jetzt ein allerletzter Versuch? Er will, dass du dich von deinem Mann scheiden lässt und ihn heiratest, bevor er den Bund fürs Leben schließt?“
„Oder vielleicht heiraten die indischen Männer ja mehr als eine Frau“, wandte Wanda ein. Offensichtlich gefiel ihr die Vorstellung.
„Nein! Kein Hindu. Bitte, kannst du dir vorstellen, dass ich Seite an Seite mit Padmini lebe?“ Janya lächelte beinahe, und Tracy war erleichtert, das zu sehen.
„Er ist doch nicht den ganzen weiten Weg hierhergekommen, nur um dir zu sagen, dass er einen Fehler gemacht hat.“ Tracy kannte die Männer, und keiner von ihnen würde ein grauenvolles Menü auf einem Transatlantikflug herunterwürgen, nur um seine Gefühle zu erklären. Nicht einmal die besten unter ihnen.
„Er will, dass ich ihn Dienstag nach der Arbeit treffe. Dann wird er mir alles erklären.“
„Und? Wirst du dich mit ihm treffen?“
„Ich …“ Sie zuckte die Schultern. „Soll ich?“
„Wow.“ Tracy lehnte sich gegen die Kissen. „Was verlierst du, wenn du nicht hingehst? Und was gewinnst du, wenn du gehst?“
„Das kann ich nicht beantworten.“
„Tja, dafür habe ich noch eine Frage“, entgegnete Wanda. „Wenn du nicht hingehst, wirst du dich dann dein Leben lang fragen, was Darshan dir hat sagen wollen?“
„Ich … Ich weiß es
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