Insel hinter dem Regenbogen (German Edition)
angerufen. Wenn wir Herbs Familie bis Ende nächster Woche nicht gefunden haben, werden sie ihn einäschern. Er meinte, sie würden die Angelegenheit schnell erledigen wollen und müssten handeln.“
„Wahrscheinlicher ist doch, dass sie einfach Platz brauchen – so schnell, wie die Leute in Florida sterben. Das kommt, weil die Bevölkerung im Durchschnitt immer älter wird.“
„Das ist zynisch.“
„Bringen Sie mich nicht dazu …“ Wanda blickte sie an. „Was kümmert es Sie überhaupt?“
„Tja, zum einen aus Respekt.“
Wanda schnaubte verächtlich.
„Und weil ich sein Haus räumen lassen und einen neuen Mieter finden muss.“
„Geld, Geld, Geld.“ Wanda rieb Daumen und Zeigefinger mehrfach aneinander.
„Sie arbeiten doch in einem Restaurant, oder? Sie würden es doch auch nicht tun, wenn man Sie nicht dafür bezahlen würde. Oder macht es Ihnen so viel Spaß, die Tageskarte vorzulesen und das Eiswasser nachzufüllen?“
„Wissen Sie, was an meinem Haus alles kaputt ist?“
„Keine Sorge, ich trage die Liste immer an meinem Herzen.“
„Ich wette, Herbs Haus hat genauso viele Mängel.“
„Und?“
„Und Sie versuchen, es genau so zu vermieten, wie es ist. Mit dem haarsträubenden Mietvertrag, der es Ihnen erlaubt, den Mieter rauszuschmeißen, sobald Sie das Land verkauft haben. Dazu noch die Vorhersage für einen – dank der Klimaerwärmung – fürchterlich heißen Sommer und die Geschichte eines alten Mannes, der in dem neuen Schlafzimmer gestorben ist. Nehmen Sie das alles zusammen, und dann schauen Sie mal, wie viele Menschen Ihnen die Tür einrennen, um Ihnen gutes Geld zu bezahlen.“
„ Sie haben es jedenfalls getan.“
„Nein, ich nicht. Ich bin nicht dumm. Mein Ehemann hat Ihren Vertrag unterschrieben. Und zu der Zeit gab es in Palmetto Grove nicht viele Wohnungen zu mieten. Doch nachdem alle Leute ihre Häuser verkaufen und Florida verlassen wollen, aber es nicht können? Alle vermieten ihre Häuser.“
„Ihnen gefällt es, solche Hiobsbotschaften zu verkünden, oder?“
„Ich sage nur, wie es ist. Jemand muss es ja machen.“
„Und wer hat gerade Sie dazu bestimmt?“
„Es ist ein gottgegebenes Talent.“
Tracy wusste, dass sie mit Maribel reden und auch die Möglichkeiten für Herbs Haus mit ihr besprechen musste. Doch sie fühlte sich von Minute zu Minute niedergeschlagener.
„Ja, das sind sie“, sagte Wanda und wies mit einem Kopfnicken auf die alten Männer, die sie Tracy vorher gezeigt hatte.
Tracy war sich nicht sicher, wieso Wanda gerade diese Ansammlung von Altersflecken, krummen Rücken, schlecht rasierten Kinnen und seltsamen Angelhüten bekannt vorkam, doch sie glaubte es einfach mal. „Soll ich mit ihnen reden, oder wollen Sie?“
„Oh, ich habe Sie schon hierhergebracht. Der Rest liegt bei Ihnen.“
Tracy näherte sich den alten Männern, die nicht einmal aufblickten. Dennoch warf sie ihnen ein strahlendes Lächeln zu und hoffte, dass sie damit irgendwie ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. „Hallo, meine Herren. Mein Name ist Tracy Deloche. Könnten Sie mir eine Minute Ihrer Zeit schenken?“
Sie lächelte unverdrossen weiter, denn sie hatte eigentlich damit gerechnet, dass drei Augenpaare in ihre Richtung schwenken würden. Doch niemand rührte sich. Die beiden Männer, die sich einander an einem alten Spieltisch gegenübersaßen, sahen nicht auf. Der dritte Mann, der einen bleistiftdünnen Schatten auf das Spielbrett warf, schenkte ihr nur einen flüchtigen Blick, ehe er sich wieder schweigend über den Tisch beugte.
Tracy fragte sich, ob sie eventuell alle drei schwerhörig waren. Wie es sich wohl anfühlte, so alt und verbraucht zu sein und so wenig zu tun zu haben, dass der gesamte Tag sich um ein albernes Spiel in einem Park drehte? Aus Respekt vor der offensichtlich äußersten Konzentration der Männer wartete sie ein paar Sekunden, bevor sie es wieder versuchte.
„Meine Herren, ich brauche nur einen Moment. Dann können Sie weiterspielen.“
Dieses Mal blickte nicht einmal mehr der „Vornübergebeugte“ zu ihr. Sie trat etwas näher und lächelte noch breiter, um ihre Verärgerung zu überspielen.
„Wissen Sie, ein Mädchen wird nicht gern ignoriert. Und es geht um einen Ihrer Freunde, Herb Krause. Ich bin seine Vermieterin. Oder sollte ich besser sagen: Ich war seine Vermieterin? Er ist vorgestern gestorben.“
Sie machte eine Pause. Einen Moment lang fragte sie sich, ob es ein Problem für die schwachen alten Herzen
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