Inselzirkus
ziehen die Szene vor«, sagte Rollo, »in der sie die Kaschemme verlässt. Vielleicht liegt ihr die besser.«
Er gab sich aufgeräumt, als wäre es dem Ablaufplan sogar förderlich, wenn die Reihenfolge der Szenen verändert wurde. Aber seine schauspielerischen Leistungen waren noch schlechter als Mamma Carlottas. So hatten seine Worte, die aufmunternd sein sollten, den genau gegenteiligen Erfolg. Zum Glück steckten Heidi, Kristin und Beate gerade die Köpfe zusammen und bekamen von den Dreharbeiten nichts mit.
Mamma Carlotta wurde in die Imbissstube gebeten und angewiesen, hinter der offenen Tür zu warten. Kalt und dunkel war es dort. Und einsam! Noch nie hatte sie sich mutterseelenallein in diesem Raum aufgehalten. Und die Tatsache, dass er sauberer war als sonst und keine undefinierbaren Gerüche über der Theke hingen, trug nicht dazu bei, dass sie sich wohler fühlte. Ein beklemmendes Gefühl stieg in ihr auf, so wie früher, wenn sie als Kind in den Keller geschickt worden war, in dem sie sich gefürchtet hatte. Oder als sie nach Dinos Tod zum ersten Mal wieder das eheliche Schlafzimmer betrat, wo er die letzten Jahre seines Lebens zugebracht hatte, und ein leeres Bett vorfand. Nie zuvor hatte sie sich so allein gefühlt wie damals.
Sie ermahnte sich, die Zeit des Alleinseins zu nutzen und den Satz zu proben, auf den es gleich ankommen würde. Aber sie konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren. Zu viele Fragen schossen ihr durch den Kopf, die die wichtige Aussage, dass der Espresso in Käptens Kajüte wie Spülwasser schmeckte, zuschütteten. Die Geschichte, der Max Triebel auf der Spur gewesen war, musste aufsehenerregend sein. Etwas so AnstöÃiges, Entehrendes, dass es Markreiters Ruf ruiniert hätte, dass seine Karriere vorbei gewesen wäre, dass er dafür vielleicht sogar ins Gefängnis hätte gehen müssen. Nur so war es zu erklären, dass er alles auf eine Karte gesetzt hatte und nicht einmal vor einem Mord zurückgeschreckt war, um das Leben zu retten, das er bisher geführt hatte.
Ob Alina Olsted klar war, auf wen sie sich einlie� Sie war womöglich stolz darauf, von einem Star begehrt zu werden, und ahnte nicht, dass sie mit einem eiskalten Mörder ins Bett ging. Hoffentlich hatte Erik ihre Nachricht gehört! Hoffentlich kam er früh genug bei Alina Olsted an, um Bruce Markreiter festzunehmen!
Plötzlich fiel ihr Sandra Zielcke ein. War sie vielleicht doch keine Stalkerin? Womöglich spionierte Sandra den Fernsehstar Bruce Markreiter tatsächlich aus, um von einer Illustrierten viel Geld dafür zu kassieren? Dann hatte sie natürlich längst herausgefunden, dass der Star ein Verhältnis mit einer jungen Frau hatte, die bis dahin eine unbescholtene Lehrerin gewesen war. Deswegen war sie Alina nachgeschlichen! Und genau deswegen hatte sie die Referendarin angesprochen! Was mochte Alina ihr in ihrer Arglosigkeit in den wenigen Minuten anvertraut haben? Und hatte Sandra vielleicht sogar heimlich ein Foto von ihr gemacht, während sie vorgab, dass sie von Alina fotografiert werden wollte?
Ein junger Mann, der ein Headset trug und ein Mikrofon an einem langen Stativ in der Hand hielt, blickte in den Raum. »Sind Sie so weit, Signora?«
Mamma Carlotta nickte tapfer. »Sì!«
»Wenn Sie die Klappe hören, kommen Sie also heraus und sagen ⦠Na, Sie wissen schon.«
Wieder nickte sie.
»Nur noch ein paar Minuten.«
Der junge Mann verschwand wieder. Der Satz, den Mamma Carlotta sich tausendmal vorgesprochen hatte, stellte sich in ihrem Kopf auf, aber dummerweise schummelte sich die Frage daneben, ob Bruce Markreiter auch Harry Jumperz auf dem Gewissen hatte. War er gerade in dem Moment in die Kulissenhalle gekommen, als Harry verzweifelt versuchte, sich aus dem Schrank zu befreien? Und hatte Bruce dann kurzen Prozess gemacht, weil der Chefautor etwas wusste, das dem Stargast gefährlich werden konnte? Dann wusste womöglich auch Sandra Zielcke davon. Und wenn das so war, würde Erik, noch ehe er den Fall gelöst hatte, auf irgendeiner Titelseite lesen müssen, dass jemand fixer im Aufklären des Mordfalls gewesen war als die Kriminalpolizei von Westerland! Sicherlich würde ihm die Staatsanwältin, die ihn sowieso nicht leiden konnte, schwere Vorwürfe machen. Ein schrecklicher Gedanke!
Aber Mamma Carlotta schob ihn eilig beiseite. Nein, Harry Jumperz
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