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Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn

Titel: Inspector Alan Banks 05 In blindem Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Hartleys Tür und Banks schob sie auf.
      Wenn Gary wenigstens den Elektroofen ausgeschaltet hätte, dachte Banks später, dann wäre der Gestank nicht ganz so infernalisch gewesen. Aber so legte Susan eine Hand vor Mund und Nase und taumelte zurück, während Banks nach einem Taschentuch griff. Keiner von beiden ging einen Schritt weiter in das Zimmer. Der alte Mann lag rücklings auf seinen Kissen, fast bis zur Unkenntlichkeit ausgezehrt. Aufgrund der rötlichen Verfärbung der Adern an seinem dürren Hals schätzte Banks, dass er seit mindestens zwei Tagen tot war. Da es allerdings viele Faktoren gab, die in diese Überlegung einbezogen werden mussten, zum Beispiel sein Alter, sein Gesundheitszustand und die Zimmertemperatur - um nur einige zu nennen -, würde man einen Experten brauchen, um den Zeitpunkt genauer festlegen zu können.
      »Rufen Sie die örtliche Kriminalpolizei«, wies Banks Susan an, »und sagen Sie denen, sie sollen einen Polizeimediziner und ein Spurensicherungsteam mitbringen. Sie wissen ja, was Sie zu tun haben.«
      Susan eilte nach unten zum Telefon, während Banks sachte die Tür schloss und ins Wohnzimmer zurückging. Als er eintrat, sah Gary ihn an. Der Junge schien völlig ausgelaugt und unglaublich müde zu sein. Banks gab Richmond ein Zeichen, dass er sich ans Fenster stellen sollte, wo Gary ihn nicht sehen konnte, setzte sich dann dicht neben Gary und beugte sich vor.
      »Wollen Sie es mir erzählen, mein Junge?«, fragte Banks.
      »Was erzählen?« Gary zündete sich am Stummel der alten eine neue Zigarette an. Seine langen Finger waren um die Nägel herum vom Nikotin gelb verfärbt.
      »Sie wissen schon.« Banks zeigte an die Decke. »Was ist passiert?«
      Gary zuckte mit den Achseln. »Ist er tot?«
      »Ja.«
      »Ich habe Ihnen ja gesagt, dass er krank war.«
      »Wie ist er gestorben, Gary?«
      »Er hatte Krebs.«
      »Wie lange ist er schon tot?«
      »Woher soll ich das wissen?«
      »Warum haben Sie nicht den Arzt gerufen?«
      »Es gab keinen Grund, oder?«
      »Wann haben Sie das letzte Mal nach ihm gesehen und ihm etwas zu essen gegeben?«
      Gary zog an seiner Zigarette und schaute zur Seite in den kalten Kamin, der mit Kippen und leeren Bierdosen verdreckt war. Auf seiner blassen Stirn bildete sich Schweiß.
      »Wann sind Sie das letzte Mal hochgegangen und haben nach ihm gesehen, Gary?«, fragte Banks erneut.
      »Keine Ahnung.«
      »Gestern? Vorgestern?«
      »Keine Ahnung.«
      »Ich bin kein Experte, Gary, aber ich würde sagen, Sie waren seit mindestens drei Tagen nicht mehr oben, stimmt's?«
      »Wenn Sie das sagen.«
      »Haben Sie ihn getötet?«
      »Er war krank und es wurde immer schlimmer.«
      »Aber haben Sie ihn getötet?«
      »Ich habe ihn nicht berührt, wenn Sie das meinen. Ich habe das alte Arschloch überhaupt nie angefasst. Ich konnte es nicht ertragen ...«
      Banks merkte, dass der Junge weinte. Er hatte seinen Kopf zur Seite gewendet, aber er zitterte, und zwischen seinen Fingern, die er vor seinen Mund und seine Nase gelegt hatte, drangen seltsame Schniefgeräusche hervor.
      »Sie haben ihn im Stich gelassen. Sie haben ihn da oben allein gelassen, damit er stirbt.«
      Banks war sich nicht sicher, aber er meinte, dass Gary nickte.
      »Warum? Um Gottes willen, warum?«
      »Sie wissen es«, sagte er, wischte seine Nase mit dem Handrücken ab und sah Banks wütend an. »Sie haben es mir gesagt. Sie wissen alles. Was er getan hat...«
      »Was er Caroline angetan hat?«
      »Das wissen Sie genau.«
      »Was ist mit Caroline? Haben Sie sie auch umgebracht?«
      »Warum hätte ich das tun sollen?«
      »Das frage ich Sie. Sie hat einmal versucht, Sie umzubringen. Haben Sie es getan?«
      Gary seufzte und warf seine halb aufgerauchte Zigarette in den Kamin. »Wahrscheinlich«, gab er matt zur Antwort. »Keine Ahnung. Ich dachte, er hätte es getan, aber vielleicht haben wir es alle getan. Vielleicht hat diese ganze erbärmliche, verfluchte Familie sie umgebracht.«
     
    * II
     
    Am späteren Nachmittag war die Sonne hinter dunkelgrauen Wolken verschwunden, sodass Banks seine Schreibtischlampe angeschaltet hatte. Sie saßen in seinem Büro: Banks, Gary Hartley und Susan Gay. Er machte sich Notizen und wartete auf Kaffee, damit sie mit dem Verhör beginnen konnten.
      Gary, der auf einem harten Stuhl Banks gegenübersaß, sah jetzt furchtsam aus. Er machte keinen

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