Inspector Alan Banks 15 Eine seltsame Affäre
soll ich sagen? So ist das halt manchmal. Wir haben nicht besonders viele Gemeinsamkeiten.«
»Ach, so was kenne ich«, erwiderte Corinne. »Ich kann meine kleine Schwester nicht ausstehen. Sie ist arrogant und meckert immer nur rum.«
»Ich habe nichts gegen Roy. Ich kenne ihn nur nicht sehr gut und mache mir Sorgen, dass er Ärger haben könnte.« Banks erinnerte sich an die CD, die er in der Hülle der Blue Lamps entdeckt hatte. Er holte sie aus der Tasche. »Die hier habe ich bei Roy gefunden«, sagte er. »Könnten Sie mir vielleicht dabei helfen?«
»Klar.«
Corinne brauchte nicht lange, um die CD in den Computer einzulegen und das Inhaltsverzeichnis aufzurufen. Die Icons zeigten JPEGs: insgesamt 1232. Manche hatten lediglich eine Nummer, andere waren mit »Natasha«, »Kiki« oder »Kayla« betitelt. Corinne öffnete die Bildverarbeitung und startete die Diaschau.
Banks sah ihr über die Schulter, die Hand auf der Rückenlehne des Stuhls. Dann erschienen Bilder auf dem Monitor. Das erste zeigte eine nackte Frau mit dem erigierten Penis eines Mannes im Mund und Sperma am Kinn, sie hatte einen benommenen Gesichtsausdruck. Auf dem nächsten war derselbe Mann zu sehen, der die Frau von hinten nahm, ihre Miene heuchelte Ekstase. Dann kamen mehrere Fotos eines äußerst attraktiven blonden Mädchens in verschiedenen Phasen der Entkleidung und offenherzigen Stellungen.
Das reichte.
Corinne unterbrach die Diaschau und ließ die CD auswerfen. »Ich schätze mal, das zeigt bloß, dass Roy nicht viel anders ist als die meisten Männer«, sagte sie und entfernte sich vom Computer. Banks sah, dass sie rot geworden war. Sie gab ihm die CD zurück. »Die möchten Sie vielleicht behalten.«
»Ist das alles, was drauf ist?«, fragte er.
»Ich werde nicht 1232 Dateien öffnen, gehe aber davon aus, dass Sie richtig liegen. Sie können sich natürlich gerne alle ansehen, aber nicht hier, wenn Sie gestatten. Ich finde solche Sachen ein wenig erniedrigend. Um nicht zu sagen beleidigend.«
Na, den Versuch war es wert gewesen, dachte Banks. Auch wenn er überhaupt nichts gegen Fotos von nackten Frauen hatte, weder allein noch mit Partnern, kannte er die schmutzige Seite der Pornoindustrie gut genug, um zu wissen, wie schlimm sie sein konnte, insbesondere wenn Kinder beteiligt waren. Soweit er gesehen hatte, wirkte Roys Sammlung ganz unschuldig, die Mädchen waren volljährig, wenn auch relativ jung. Irgendwie fühlte sich Banks durch die Entdeckung, dass Roy auch nur ein Mensch war, seinem Bruder etwas näher. Das kleine Ferkel! Wenn das die Mutter wüsste! Aber dann schaltete sich sein Polizeigehirn ein. Wenn Roy diese Fotos nicht aus dem Internet heruntergeladen, sondern selbst mit einer Digitalkamera aufgenommen hatte, dann konnte er in anrüchige Geschäfte verwickelt sein.
»Hatte Roy mit Internet-Pornografie zu tun?«, fragte er Corinne, obwohl sie wahrscheinlich nicht die richtige Ansprechpartnerin war.
»Sie denken auch nur das Schlechteste von ihm, was?«, gab sie zurück.
»Ich verstehe nicht, warum Sie ihn immer noch verteidigen - nach allem, was er Ihnen angetan hat.«
Corinne wurde rot vor Wut.
»Ob Sie's mir glauben oder nicht, ich will nur helfen«, sagte Banks.
»Na, Sie haben aber eine komische Art, das zu zeigen.« Corinne schaute auf die CD und verzog das Gesicht. »Bitte, das ist Ihr Beweismittel,«
Banks nahm die Scheibe entgegen. Irgendwann würde er sie genauer studieren, sich jedes der 1232 Bilder ansehen, nur um sicher zu sein. Im Hintergrund von Pornofotos im Internet hatte man schon Hotelzimmer erkannt. Ein Opfer von Kinderpornografie in Amerika war durch das verwaschene Schul-Logo auf dem T-Shirt identifiziert worden. Falls Roy diese Fotos gemacht hatte, musste Banks vielleicht herausfinden, wo er sie aufgenommen hatte und wer die Models waren. Falls es so weit kommen sollte. Aber nicht hier und jetzt.
Banks waren die Fragen an Corinne ausgegangen. Er merkte, dass sie unruhig wurde, ihn verabschieden wollte.
Ob es an den Bildern auf der CD lag oder an etwas anderem, konnte er nicht sagen, aber er spürte deutlich, dass er jetzt lange genug bei ihr gewesen war. Da fiel ihm der stiftförmige Gegenstand ein, den er in Roys Schreibtischschublade gefunden hatte. Vielleicht wusste Corinne, um was es sich dabei handelte. Er zog ihn aus der Hemdtasche und hielt ihn ihr hin. »Wissen Sie, was das ist?«
Corinne nahm
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