Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
alleine klar?« Rebus nickte und wünschte sich plötzlich, er wäre ganz woanders, bei sich zu Hause, bei seinem eigenen Whisky, seiner Musik und seinen Büchern. Aber Brian hatte das Bedürfnis zu reden.
»Ich geb uns die Schuld an der Sache, weißt du.«
»Das tun vermutlich die meisten Eltern.«
»Ich glaube, er hat die Atmosphäre gespürt, und die hat ihn aus dem Haus getrieben.« Er saß auf der Sofakante, die Hände um das Glas gekrampft. Während er redete, starrte er auf den Fußboden. »Ich hatte mehr und mehr das Gefühl, dass Janice nur darauf wartete, dass Dämon ging. Du weißt schon, sich eine eigene Wohnung nahm. Darauf wartete sie bloß.«
»Und was war dann gewesen?«
Brian sah kurz zu ihm hoch. »Dann hätte sie keinen Grund mehr gehabt zu bleiben. Jedes Mal, wenn sie nach Edinburgh fährt, denke ich, das war's: Sie kommt nicht wieder.«
»Aber sie kommt doch immer wieder.«
Er nickte. »Aber jetzt ist es anders. Sie kommt zurück für den Fall, dass Dämon hier sein könnte. Mit mir hat das nichts zu tun.« Er hustete, räusperte sich, leerte seinen Whisky. »Noch einen Schluck?«
Rebus schüttelte den Kopf. »Nein, das reicht wohl. Zeit zu pennen, hm?« Brian stand auf, brachte ein Lächeln zustande. »Wie in der Schulzeit, was, Johnny?«
»Wie in der Schulzeit, Brian«, bestätigte Rebus. Er sah, wie etwas hinter Brian Michs Augen aufleuchtete, dann wieder erlosch.
Rebus putzte sich die Zähne in der Küche - wollte oben nicht stören. Er breitete die Decken auf dem Sofa aus. Saß da im Dunkeln, stand dann auf und ging ans Fenster. Spähte zwischen den Vorhängen hindurch. Draußen warfen die Straßenlaternen ein mattes orangefarbenes Licht. Die Straße lag wie ausgestorben da. Er schlich in den Flur, öffnete leise die Haustür und ließ sie hinter sich zuschnappen. Ein fünfminütiger Rundgang überzeugte ihn davon, dass Cary Oakes nicht in der Nähe war. Er ging wieder ins Haus, musste mal. Die Küchenspüle wäre wohl nicht das Rechte gewesen, also lauschte er am Fuß der Treppe und ging dann nach oben. Er fand das Bad, ging hinein und erledigte sein Geschäft. Eine Schlafzimmertür war geschlossen, die andere stand einen Spalt breit auf. An der offenen Tür waren ein Fußballschal und ein halbes Dutzend alte Konzertkarten angepinnt.
Rebus streckte den Kopf durch die Tür: sah die Umrisse von Postern, einen Kleiderschrank und eine Kommode. Sah das Fenster mit den zugezogenen Vorhängen. Sah das schmale Bett und darin Janice, die ruhig atmend schlief.
Schlich sich wieder nach unten und fühlte sich wie ein Einbrecher.
33
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück hatte er eine Verabredung mit Dämons Freunden.
Sie kamen zu Janice' und Brians Haus, während die beiden einkaufen waren. Joey Haidane war groß und mager, hatte kurz geschorenes gebleichtes Haar und dunkle, buschige Augenbrauen. Ganz in Denim - Jeans, Hemd, Jacke -, dazu schwarze Doc Martens. Rebus fiel auf, dass er fast ununterbrochen den Mund offen hatte, so als hätte er Schwierigkeiten, durch die Nase zu atmen.
Pete Mathieson war genauso groß wie Joey, aber erheblich breiter gebaut, die Sorte Sohn, auf die ein Bauer stolz gewesen wäre. Er trug eine rote Jogginghose, ein blaues Sweatshirt und Nike-Turnschuhe mit fast vollständig abgelaufener Sohle. Sie saßen auf dem Sofa.
Rebus' Decken und Kissen waren schon vor dem Frühstück, während er in der Badewanne lag, wieder nach oben geräumt worden.
»Danke, dass ihr gekommen seid«, begann Rebus. Statt sich in einem der weichen Sessel niederzulassen, hatte er einen Stuhl vom Esstisch mitten ins Zimmer gezogen, rittlings darauf Platz genommen und sich mit den Armen auf die Rückenlehne gestützt.
»Ich weiß, dass wir uns schon unterhalten haben, Joey, aber ich habe ein paar Rückfragen. So genannt, weil sich mir immer die Rückenhaare sträuben, wenn ich das Gefühl habe, dass mir jemand Märchen auftischt.«
Joey fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, Pete zuckte mit einer Schulter, legte den Kopf schief und versuchte, gelangweilt dreinzuschauen.
»Also«, fuhr Rebus fort, »es hieß, ihr drei wärt bloß dieses eine Mal auf Sauftour nach Edinburgh gefahren. Aber inzwischen glaube ich, dass das nicht stimmt. Ich bin mir sicher, dass ihr schon früher da gewesen seid. Wahrscheinlich habt ihr das sogar regelmäßig getan, und da frage ich mich, warum ihr mich anlügt. Was genau versucht ihr zu verheimlichen? Vergesst nicht, das hier ist eine polizeiliche
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