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Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten

Titel: Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Junge musste also die harte Lehre durchmachen. Soll er die beschissenen Fälle übernehmen, die hoffnungslosen, diejenigen, nach denen man das Bedürfnis verspürte, unter die Dusche zu gehen und frische Sachen anzuziehen. Soll er sich bewähren. Lange Stunden undankbarer Plackerei, ein strahlendes Vorbild für alle anderen Mitarbeiter.
    All das an einem einzigen Lächeln erkannt, dem Lächeln einer etwas schüchternen, gehemmten Drohne, die davon träumte, Bienenkönig zu sein, vielleicht sogar kleinen Phantasien von Vatermord und Usurpation nachhing.
    »Sie werden natürlich ausgewiesen«, sagte der Prinz jetzt.
    »Was?«
    »Sie hielten sich widerrechtlich in diesem Land auf, Mr. Oakes.«
    »Ich hab hier fast mein halbes Leben verbracht.«
    »Trotzdem...«
    Trotzdem ... die Worte seiner Mutter. Jedes Mal, wenn er sich eine Ausrede zurechtgelegt hatte, irgendeine Geschichte, die die Situation erklären sollte, hörte sie schweigend zu, atmete danach tief ein, und dann war es so, als könnte er das Wort, das aus ihrem Mund kam, in der Luft Gestalt annehmen sehen. Während seiner Verhandlung hatte er im Geist kleine Dialoge mit ihr durchgespielt.
    »Mutter, ich bin doch immer ein guter Sohn gewesen, oder?«
    »Trotzdem...«
    »Trotzdem habe ich zwei Menschen getötet.«
    »Wirklich, Cary? Bist du dir auch sicher, dass es nur zwei waren ...
    ?«
    Er richtete sich auf. »Dann sollen sie mich eben ausweisen, ich bin im Handumdrehen wieder da.«
    »Das wird nicht so einfach sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie wieder ein Touristenvisum bekommen, Mr. Oakes.«
    »Ich brauch keins. Sie sind nicht auf dem Laufenden.«
    »Ihr Name wird dann aktenkundig sein...«
    »Ich spazier einfach von Kanada oder Mexiko über die grüne Grenze.«
    Der Anwalt rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Das hörte er gar nicht gern.
    »Ich muss doch zurückkommen und meine Kumpels besuchen« - mit einem Nicken in Richtung der Wärter. »Wenn ich weg bin, werden sie mich vermissen. Und ebenso ihre Frauen.«
    »Leck mich, Wichser.« Wieder Saunders.
    6!
    Oakes strahlte den Rechtsanwalt an. »Ist das nicht nett? Wir haben lauter Spitznamen füreinander.«
    »Ich halte das alles nicht für sonderlich konstruktiv, Mr. Oakes.«
    »Hey, ich bin ein vorbildlicher Häftling. So läuft's doch, oder? Eins hab ich schnell gelernt: Man muss dieselbe Methode benutzen, mit der die einen da hingebracht haben, wo man jetzt ist. Sich mit den Gesetzen vertraut machen, alles noch einmal gründlich durchgehen, die Fragen wissen, die man stellen muss, die Einwände, die während der Verhandlung hätten erhoben werden müssen. Der Verteidiger, den die mir damals gestellt hatten, glauben Sie mir, der war schon angesichts einer Hand voll Erstklässler überfordert gewesen, ganz zu schweigen von zwölf erwachsenen Geschworenen.« Er lächelte wieder. »Sie sind besser als er. Sie werden schon Ihren Weg machen. Denken Sie daran, wenn Ihr Daddy Sie das nächste Mal runterputzt. Oder sagen Sie sich einfach: Ich bin besser, ich werde meinen Weg machen.« Er zwinkerte. »Gratistipp meinerseits, Jungchen.«
    Jungchen - als wäre er fünfzig statt achtunddreißig. Als stünde ihm die Weisheit der Jahrhunderte zu Gebote.
    »Dann krieg ich also einen Freiflug nach London?«
    »Ich weiß nicht.« Der Anwalt sah seine Notizen durch. »Sie stammen ursprünglich aus Lothian?« Sprach's wie loathing aus, »Abscheu«.
    »›Lothian‹ wie Edinburgh, Schottland.«
    »Tja, Sie könnten wieder da landen.«
    Cary Oakes rieb sich das Kinn. Edinburgh würd's eine Zeit lang schon tun. Er hatte da noch ein paar Dinge zu erledigen. Würde zwar die Finger davon lassen, bis die Wogen sich geglättet hatten, aber trotzdem... Er beugte sich über den Tisch.
    »Wie viele Morde haben die mir angehängt?«
    Der Anwalt blinzelte, saß reglos da, die Hände flach auf dem Tisch.
    »Zwei«, sagte er schließlich.
    »Mit wie vielen hatten sie angefangen?«
    »Ich glaube, es waren fünf.«
    »Sechs.« Oakes nickte langsam. »Aber wer zählt schon mit, hm?« Ein Schmunzeln. »Haben die für die übrigen je einen gefasst?« Der Anwalt schüttelte den Kopf. Er hatte Schweißtropfen an den Schläfen. Auf dem Rückweg würde er zu Haus vorbeifahren, um unter die Dusche zu springen und sich frische Sachen anzuziehen. Cary Oakes lehnte sich wieder zurück und hielt das Gesicht in die Sonne, drehte den Kopf so, dass er überall die Warme spürte. »Zwei ist doch gar nicht so viel, oder, wenn man's genau

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