Inspector Rebus 10 - Die Seelen der Toten
gemacht.«
»Einem verurteilten Pädophilen«, fühlte sich Rebus verpflichtet hinzuzufügen.
»Nie davon gehört, dass die Umwelt den Charakter prägt?«
»Dass das geschändete Kind selbst zum Kinderschänder wird? Finden Sie, das ist eine annehmbare Entschuldigung?«
»Ich finde, das ist eine Erklärung •.« Jetzt war sie ruhiger. »Professor Calder in Glasgow führt so einen Test durch. Er zeigt, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand rückfällig wird. Bei Darren wurde das Risiko als niedrig eingestuft. Während seiner ganzen Haftzeit ist er regelmäßig zu den Sitzungen gegangen, hat seine Therapie konsequent durchgezogen.«
Rebus rümpfte die Nase. »Wie kommt's, dass er nicht registriert ist?« Er hatte es überprüft: In Edinburgh waren neunundvierzig Sexualstraftäter polizeilich registriert; Rough gehörte nicht zu ihnen.
»Das war Teil des Deals. Er hat eine Heidenangst, dass sie ihn sich schnappen könnten.«
»›Sie‹?«
»Ince und Marshall. Ich weiß, dass sie hinter Schloss und Riegel sind, aber er hat ihretwegen noch heute Albträume.« Sie wartete darauf, dass er etwas sagte, aber Rebus war in Gedanken versunken.
»Was in Greenfield abläuft«, fuhr sie fort, »ist nicht richtig. Ist das Ihre Lösung: sie hetzen, sie raus jagen? Irgendwo landen sie am Ende doch, John. Wir müssen uns mit ihnen befassen, dürfen sie nicht einfach dem Pöbel ausliefern.«
Rebus starrte auf seine Schuhe. Wie immer hätten sie mal wieder geputzt werden müssen. »Hat Rough es Ihnen gesagt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Als ich die Zeitung sah, hab ich mich sofort auf die Suche nach ihm gemacht. Dann habe ich mit seinem Sozialarbeiter gesprochen. Und Davies ist sich ziemlich sicher, dass Sie es waren.«
»Und, glauben Sie ihm?«
Sie zuckte die Achseln. Sie waren wieder auf dem Weg zu ihren Autos. »Also, was wollen Sie?«, fragte Rebus. »Eine Entschuldigung?«
»Ich will nur, dass Sie begreifen.«
»Schön, danke für die Therapie. Ich glaube, ich bin so weit, dass man mich wieder in die Gesellschaft eingliedern kann.«
»Freut mich, dass Sie darüber Witze reißen können«, sagte sie kalt. Er wandte sich zu ihr. »Rough kommt nach Edinburgh zurück, und Jim Margolies, der Bulle, der ihn angeblich zusammengeschlagen hatte, beschließt, einen Sprung von den Salisbury Crags zu machen. Ich glaube, da könnte ein Zusammenhang bestehen. Deswegen interessiere ich mich für -« Er bemerkte, wie sich ihr Gesichtsausdruck bei Erwähnung Margolies' veränderte. »Was ist?«, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. Rebus kniff die Augen zusammen. »Sie haben mit ihm gesprochen, stimmt's? Sie haben mit ihm das gleiche Gespräch geführt wie eben mit mir?«
Sie zögerte, nickte dann. »Ich wollte Darren nach Edinburgh zurückholen. Er sträubte sich, wollte wissen, ob DI Margolies noch immer in der Stadt war.«
»Also haben Sie sich mit Jim getroffen, ihm alles erklärt?«
»Ich wollte vermutlich sicher sein, dass es keine... Konflikte geben würde.«
»Dann wusste Margolies also, dass Rough zurückkommen würde?« Rebus dachte nach. Ein Handy trillerte: ihres. Sie holte es aus ihrer Tasche, hörte kurz zu.
»Ich fahr sofort hin«, sagte sie und beendete das Gespräch. Dann zu Rebus gewandt: »Sie sollten besser auch mitkommen.« Er sah sie an. »Was gibt's?«
Sie öffnete die Tür ihres Wagens. »Hässliche Szenen in Greenfield. Darren scheint endlich doch nach Haus gekommen zu sein.«
19
Auf der Galerie vor Darren Roughs Wohnung hatte sich ein wütender Haufen versammelt, und das Einzige, was sich zwischen Letzterem und der Tür befand, war Police Constable Tom Jackson.
Van Brady stand in der vordersten Reihe und schwang eine Brechstange. Weitere Frauen drängten sich hinter ihr nach vorn. Ein Team des örtlichen Fernsehsenders versuchte, die Kamera in Stellung zu bringen. Ein Fotoreporter knipste ein paar Kinder, die ein Spruchband - Marke Eigenbau: ein entzweigerissenes Bettlaken und schwarze Farbe aus der Spraydose - hochhielten. Die Aufschrift lautete: RETTET UNS VOR DEM UNGEHEUER.
»Sehr hübsch«, meinte Jane Barbour.
In den anderen Wohnblocks schauten Leute von ihren Fenstern aus zu oder lehnten sich hinaus, um die Menge lautstark anzufeuern.
Rebus sah, dass die Wohnungstür mit Farbe beschmiert war. An der Fensterscheibe klebten Eierreste und Fett. Die Meute schrie nach Blut, und sie schien ständig anzuwachsen.
Rebus dachte: Mein Gott, was habe ich getan?
Tom Jackson warf einen Blick in
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