Inspektor Jury lichtet den Nebel
sie zu beweisen.
«Ich habe Zeitung gelesen. In Dorchester ist ein Junge umgebracht worden. Aber was hat das mit mir zu tun?»
«Und ein zweiter in Wynchcoombe. Das hat noch nicht in der Zeitung gestanden. Ich frage ja nicht nach Ihrem Alibi.»
«Wonach fragen Sie dann?»
Macalvie sagte kopfschüttelnd: «Ich weiß es auch nicht genau.»
Jury staunte. Das von Macalvie.
Sam Waterhouse nahm sich eine von Jurys Zigaretten. Er hatte die rauhe Stimme eines starken Rauchers. Kein Wunder, nach neunzehn Jahren in Princetown konnte man keine honigsüße Stimme erwarten.
Sam schüttelte den Kopf: «Sie wollen den Fall also immer noch aufklären.»
«Ein dunkler Fleck in meiner Karriere.» Macalvie lächelte nun nicht mehr. «Übrigens sitzen Sie neben einem Kriminalen von Scotland Yard.»
«Richard Jury», sagte dieser, Macalvies etwas knappe Vorstellung ergänzend. Er schüttelte Sam Waterhouse die Hand.
«Sie beackern doch nicht etwa das Revier unseres gemeinsamen Freundes Macalvie? Achtung, Minen, kann ich da nur sagen.»
«Jury bearbeitet den Fall in Dorchester. Der allerdings zieht seine Kreise ganz unerwarteterweise bis nach Devon.»
«Ihr Pech. Aber weder der eine noch der andere Fall hat auch nur das geringste mit mir zu tun.»
«Hat das einer von uns behauptet?»
«Ist doch klar, daß ich es so verstehen muß. Ich spaziere bei Freddie rein, und wer lauert mir auf? Sie.» Er beugte sich vor. «Macalvie, ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß ich nichts weiter möchte als Rose Mulvanney vergessen?»
«Ist mir tatsächlich schon mal durch den Kopf geschossen. Was ist eigentlich mit dem anderen ‹Freund›, den sie damals hatte?»
«Ich möchte nicht darüber sprechen.»
«Hat sie nie einen Namen genannt?»
Sam Waterhouse verzog gequält das Gesicht. «Mein Gott, dann wäre ich doch wohl schon längst damit herausgerückt. Ich habe ihr Tagebuch gelesen, ich habe ihren Schreibtisch durchsucht. Und was habe ich gefunden? Einen lumpigen verwackelten Schnappschuß von irgendeinem Mann. Ich habe sie gefragt, wer das ist, und sie hat gesagt, ihr Onkel.» Sam zuckte die Achseln.
«Wir haben nichts dergleichen gefunden. Der gute Onkel muß Tagebuch, Fotos und Papiere weggeschafft haben.»
Sams Augen funkelten zornig. «Das haben wir doch schon tausendmal durchgekaut.» Er schaute wie der ewige Verlierer. «Du liebe Zeit, gab’s denn in Devon in den letzten neunzehn Jahren keine anderen Mordfälle, die Sie mit dem Fall Mulvanney in Verbindung bringen können?» Macalvie schüttelte den Kopf. «Aber warum gerade diesen hier, warum gerade jetzt?»
«Rache, Sam. Zumindest behaupten das die Zeitungen–»
Sam Waterhouse sagte kopfschüttelnd: «Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Sie haben es mit einem Geisteskranken zu tun –»
«Glaub ich nicht. Auf jeden Fall scheint es mir einen Zusammenhang zwischen den Morden zu geben.»
Freddie brachte einen dampfenden Teller mit Hammelfleisch, Salzkartoffeln und Gemüse herein. Sie stellte ihn vor Sam Waterhouse hin und bedachte Macalvie mit einem bösen Blick, so als sei er der Gefängniskoch. Sam machte sich über das Essen her.
Macalvie ließ nicht locker. «Sie haben sich also vier Tage lang im Moor rumgetrieben. Warum?»
«Weil ich neunzehn Jahre im Knast verbracht habe und ein wenig Weite um mich haben wollte. Sowie ich fertig bin, können Sie mir die Handschellen anlegen. Ich leiste keinen Widerstand, Commander.»
«Ich wollte Sie eigentlich gar nicht verhaften. Haben Sie vor hierzubleiben?»
«Schon möglich. Freddie ist wie eine Mutter zu mir.»
Macalvie tat erstaunt. «Eine Mutter? Man kann sie doch kaum eine Frau nennen. Ich wollte mich nur ein bißchen mit Ihnen unterhalten. Vielleicht können Sir mir ja helfen.»
Waterhouse lehnte sich zurück und lachte. Das Lachen veränderte ihn. Jury konnte sich ihn auf einmal als neunzehnjährigen Medizinstudenten vorstellen. «Ich und der Polizei von Devon und Cornwall helfen? Da gehe ich lieber gleich zurück in den Knast.» Sofort war die Jugendlichkeit wieder wie weggeblasen. «Selbst wenn ich helfen wollte, ich könnte es gar nicht. Ich weiß heute nicht mehr als damals. Und schon damals wußte ich nichts.»
«Wie können Sie sich da so sicher sein?»
Sam blickte von seinem Teller auf. «Was soll das heißen?»
«Sie könnten etwas wissen, was Sie nicht mit dem Mord an Rose in Verbindung gebracht haben, oder Sie wissen vielleicht etwas, wovon Sie keine Ahnung –»
«Ich hatte neunzehn Jahre Zeit,
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