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Inspektor Jury lichtet den Nebel

Inspektor Jury lichtet den Nebel

Titel: Inspektor Jury lichtet den Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Schleife an seinem Hundehalsband?»
    Henrys Hundehalsband war kaum zu sehen – es verschwand in den Fellfalten –, aber tatsächlich lugte da etwas grün Gerüschtes hervor.
    «Ich habe ihn auch feingemacht. Sie paßt zu seinen Augen.»
    Ashcroft staunte. «Henrys Augen? Hat er denn welche?»
    «Aber du weißt doch, daß er grüne Augen hat», sagte Jessica und blickte dem Gast unschuldig in die ebenfalls grünen Augen.
     
    Mulchop war nicht gerade der geborene Butler, aber Mrs. Mulchop war dafür die geborene Köchin. Geräucherter Lachs, Consommé double und gebratene junge Ente mit einer Farce à la Grand-mère, wie sie Melrose noch nie gegessen hatte. Er hätte das Rezept gern für seine Köchin zu Hause, verkündete er.
    Sara Millar sagte: «Kräuter und so weiter, dazu Pilze, Anchovis und pochiertes Hirn. Köstlich, wie?»
    Jessie hatte gerade von dieser Köstlichkeit probiert und blickte jetzt angewidert auf ihren Teller. «Pfui! Warum hat mir das niemand gesagt?» Sie schob die eklige Füllung auf ihren kleinen Brotteller und stellte ihn zu Boden. «Da, Henry», flötete sie.
    «Henry wird bei Tisch nicht gefüttert, Jess», sagte Ashcroft.
    Melrose hatte noch gar nicht bemerkt, daß Henry mit von der Partie war. Es wunderte ihn, daß Jessie nicht darauf bestanden hatte, neben ihm zu sitzen, sondern Sara die Ehre überlassen hatte.
    «Bitte vergeben Sie Jessie», sagte Victoria.
    Aber niemand schien Vergebung weniger zu brauchen als Jess.
    «Armer Henry», seufzte Jessie, als hätte sich die ganze Welt gegen ihn verschworen. Sie langte nach unten, um ihn zu streicheln und befreite dabei mit einer blitzschnellen Bewegung ihren Teller von einer besonders geschmacklosen weißen Rübe, die dort schon länger herumgekullert war. Dann machte sie sich über ihre Kartoffeln her und richtete das Wort an Melrose. «Lord Ardry …»
    «Lady Jessica.»
    «Ach, so müssen Sie mich nicht nennen.»
    «Na schön, nur wenn du mich auch nicht ‹Lord› nennst. Mein Familienname lautet Plant. Schrecklich verzwickt, wie?»
    «Ja. Mein Vater hieß Ashcroft. Aber er war auch Earl of Clerlew.»
    Ashcroft sagte: «Du meinst Curlew. Iß auf, Jess.» Robert Ashcroft schien das ganze Gerede über Stammbäume auf die Nerven zu gehen.
    «Ich kann nicht mehr, ihr hättet mir nichts von dem Hirn erzählen sollen», sagte Jess. «Meine Mutter hieß Barbara Allan», fuhr sie fort und zeigte mit ihrer Gabel auf die Wand gegenüber und sagte: «Das da ist ihr Porträt. War sie nicht schön?»
    Das Gemälde hing hinter Robert Ashcroft, der seine Gabel ebenfalls hingelegt hatte. Er schien keinen Appetit mehr zu haben.
    Die Countess of Ashcroft war wirklich schön – schlank, groß, und sie lächelte, als machte sie sich über den Porträtmaler lustig.
    «Sie war außerdem sehr nett», sagte Victoria Gray. «Und James, ihr Mann, auch.»
    Verborgene Spannungen, genauer gesagt: Hochspannung, dachte Melrose.
    Jessie ließ es nicht zu, daß das schwache Attribut «nett» dem Bild ihrer Mutter den Glanz nahm.
    «Sie hatte ein sehr tragisches Leben –», sagte Jessica.
    Und ihr Onkel erwiderte: «Hör auf, Jessie. Mulchop – lümmeln Sie da nicht rum, schenken Sie uns lieber Wein nach!»
    Aber Jessica ließ sich nicht ablenken. «Großmama Ashcroft war außer sich, weil meine Mutter bloß eine Bürgerliche war und ihre Familie ein Gewerbe hatte. Mein Vater fand das immer sehr witzig. ‹Ein Gewerbe treiben›. Mit einem ‹Gewerbe› kann man eine Stange Geld machen, hat er immer gesagt.»
    Robert unterbrach sie. «Ich glaube kaum, daß sich unser Gast für den Familienstammbaum interessiert, Jess.»
    Aber Jessica wusch fleißig weiter schmutzige Wäsche. «Einer von ihnen hatte ein Pub …» Als sie die Barbara-Allan-Saga fortsetzte, wurde deutlich, daß die Allans das Geld hatten und daß Herzen brachen, wo die Frau auch ging und stand.
    Victoria sagte, «Schluß jetzt mit den Übertreibungen!» und drückte mit einer heftigen Bewegung ihre Zigarette aus.
    «Nein! Genau so ist es gewesen. Das hast du mir selber erzählt, Onkel Rob.»
    Ashcroft lächelte und schnitt die Spitze seiner Zigarre ab. «Ich weiß nicht, wer hier was erzählt hat. Du hast derart ausgeschmückt und übertrieben, daß ich nicht mehr mitkomme.»
    Jessicas Plappermäulchen stand nicht still: «Sie war viel jünger als mein Vater … Aber das machte gar nichts. Ich finde das alles unglaublich romantisch! Aber Großmama hat gedacht, sie ist bloß hinter dem Titel her, und

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