Irgendwo dazwischen (komplett)
würden sich schon noch entwickeln,
was sie allerdings nicht taten. Und dann kam Clemens. Emmas Clemens. Wir haben
uns einmal wunderbar unterhalten. Und das hat schon gereicht, um mich zu gewinnen.
Es war eine von diesen beschränkten, aber lustigen Schulparties. Nein, stimmt
nicht, es war die Abifeier. Emma war gerade mit einem der Absolventen zusammen,
und ich trauerte pro forma Klaus hinterher. Wusste ja keiner, dass ich mich nur
in ihn verlieben wollte und es nicht geklappt hat. Clemens kam nach draußen, um
eine zu rauchen und ich saß schon eine ganze Weile im Freien, weil ich es satt
hatte, Emma beim Vorspiel zuzusehen. Er schaute zu mir und setzte sich neben
mich. Da habe ich zum ersten Mal seine Augen gesehen. Wir haben viel zusammen
gelacht, und er hat mir Persönliches von sich erzählt. Von seiner Unsicherheit,
seiner Familie und von seiner Angst, dass alle seine Freunde nur mit ihm
befreundet sind, weil er bei Frauen gut ankommt. Er sagte das nicht
eingebildet, sondern eher traurig. Ich Dummkopf hatte das Gefühl, wir seien uns
an diesem Abend wirklich näher gekommen. Ich dachte doch tatsächlich, dieser
Abend hätte nicht nur mir etwas bedeutet. Ich dachte, er wäre an mir
interessiert. Das nennt sich dann wohl Projektion, denn ich war an ihm
interessiert. Ich bin häufig die Kumpel-Frau, nicht die, der der jeweilige Kerl
letzten Endes verfällt. Das ist Emma. Vielleicht sollte ich auch auf die weniger
ist mehr Strategie umsteigen und meinen Körper für sich sprechen lassen.
Vielleicht sollte ich meine Brust nicht länger kleiner drücken, sondern Push-up
BHs kaufen. Doch was dann? Finde ich dann jemanden, dem es um mein Wesen geht?
Oder muss ich erst jemanden mit meinen Reizen locken, damit ich überhaupt eine
Chance habe, durch meinen Charakter zu bestechen?
Ich finde solche Frauen ja eigentlich lächerlich. Und würde ich
Emma nicht besser kennen, würde ich auch sie lächerlich finden. Nach außen hin
ist sie nicht mehr als eine schöne Hülle, mit der man(n) angeben kann. Kein
Mensch würde von ihrem Aussehen sofort auf einen hohen Intellekt schließen oder
ihr überhaupt zutrauen, dass sie denken kann. Sie ist einfach nur schön. Punkt.
Und das stimmt nicht. Emma ist nicht dumm. Die ist nur zu schön, um auch noch
schlau sein zu können. Doch so besonders interessant ist sie eigentlich nicht.
Wäre ich ein Kerl, ich würde mich nach einer Weile an all der Perfektion satt
gesehen haben. Aber ich bin kein Kerl. Ich fände Emma schöner, wenn sie sich
nicht so billig zur Schau stellen würde. Wenn sie ihr Gesicht mehr und ihre
Beine ein wenig weniger betonen würde. Doch sie scheint mit ihrer Methode viel
besser zu fahren als ich. Vielleicht bin ich ja wirklich ein bisschen blöd,
aber ich habe gar keinen so kurzen Rock.
Um sieben Uhr öffnet dann doch noch jemand die weiße, sterile Tür
zu meinem Zimmer. Es ist Emma. Ich frage mich, warum mich das enttäuscht, ich
wollte doch, dass sie kommt. Und, oh Wunder, sie ist tatsächlich allein.
Emma bleibt, bis die Krankenschwester sie fast bei ihren blonden
Haaren zur Tür hinausschleift. Es ist schön, einmal wieder so mit ihr Zeit
verbracht zu haben. Auch wenn ich nicht wirklich viel sprechen konnte, es war
ein schöner Abend. Es war die Emma, die ich mag, die mich besucht hat, nicht
die schöne Hülle. Sie hat sich sogar Vorwürfe gemacht, weil sie nicht gekommen
ist.
„Wäre ich gekommen, wäre das alles nicht passiert“, sagt sie. Und
sie hat wahrscheinlich Recht. Sie hat Tränen in den Augen, als sie es sagt. Das
rührt mich schon. Mit Schwierigkeiten frage ich sie, warum sie nicht da war.
Und ob man es nun glaubt oder nicht, sie und Saugnapf hatten Streit. Er wollte
mit seinen Freunden allein losziehen. Sie fand den Gedanken nicht so toll, dass
ihr wunderschöner Frauenheld ohne seine Anstandsdame um die Häuser zieht. „Ich
meine, ich bin nicht eifersüchtig... ehrlich nicht. Ich meine, wenn er mit
einer anderen zusammen sein wollte, wäre er das doch, oder? Also, ich bin doch
wohl keine, die klammert. Du kennst mich, Lili. Ich klammere doch nicht.
Clemens hat gesagt, ich würde klammern. So ein Quatsch. Soll er doch weggehen.“
Das scheint sie richtig zu schlauchen.
„Was sagt denn Ella dazu“, hauche ich unter Schmerzen.
„Ach, hör mir mit der auf – (Triumph!!) – Die hat sich neulich so
an ihn rangeschmissen... Unglaublich... Er ist natürlich kein bisschen darauf eingegangen.“ Den letzten Teil betont sie etwas zu sehr.
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