Irgendwo dazwischen (komplett)
kann das nicht sicher sagen...“
„Und hat er es gewusst?“
Sie schüttelt den Kopf. „Er weiß es bis heute nur von Lara.“
„Wie konntest du das geheimhalten?“
„Das ist der Vorteil daran, lesbisch zu sein in einer Hetero-Ehe.
Sie waren einfach Freundinnen.“ Das hätte ich nie gedacht.
„Und wie hast du diese Frauen kennen gelernt? Ich meine, woher
wusstest du, dass sie lesbisch sind?“
„Nach einer Weile spürt man das...“
„Und wann fängt das mit dem Spüren an?“
Sie lacht. „Das dauert.“
„Na, toll...“, sage ich ernüchtert. „Und wann hattest du deine
Erste?“
„Etwa in deinem Alter.“
„Und wie, ich meine, wie konntest du dann mit einem Mann
schlafen?“
„Hast du doch auch...“
„Ja, aber...“
„Was aber?“, fragt sie schmunzelnd. „Marie, ich wollte Kinder. Ich
habe mir lange eingeredet, dass ich nur normal sein will, weil es eben einfacher
ist, aber irgendwann konnte ich es nicht mehr...“
„Wegen Lara?“
„Sie wollte eine Entscheidung.“
„Wie lange lief da schon was, bevor du es ihm gesagt hast?“
„Ungefähr zwei Jahre.“
„Was?!“, platzt es aus mir heraus.
„Ich wollte Lara vom ersten Moment an... ich hatte wirklich
versucht, den Frauen zu entsagen... Und eine ganze Weile hat es auch
geklappt...“
„Und dann?“
„Ich habe eine intensivere Beziehung zu deinem Vater gehabt. Ich
habe viel mit ihm geschlafen, ich wollte lernen, es genauso zu genießen, wie
ich es genossen habe, mit Frauen zu schlafen... Und dann habe ich Lara
getroffen...“ Sie schaut aus dem Fenster. „Nach der ersten Yoga-Stunde sind wir
einen Kaffee trinken gegangen, und dann zu ihr...“
„Aber du hattest Angst…“
„Sicher... alles, was mein Leben ausgemacht hat, hinter mir zu
lassen, schien mir verrückt... Außerdem warst da du, und ich wollte, dass du
glücklich bist...“
„Und wann hast du dich dazu entschlossen, es doch zu riskieren?“,
frage ich nach einer Weile.
„Lara hat eine Frau kennengelernt, die dazu bereit war, den
entscheidenden Schritt zu machen. Sie hat mir gesagt, dass sie mich liebt, aber
dass sie sich nicht länger verstecken will. Sie hat gesagt, dass sie ein reales
Leben will, keine gestohlenen Stunden, keine Lügen und keine Ehemänner.“ Sie
zieht ihre Jacke aus. „Ich wusste, ich würde sie verlieren, wenn ich nicht
endlich den entscheidenden Schritt wage...“
„Und dann hast du es getan…“
Sie nickt. „Ich musste…“
„Du wolltest…“, entgegne ich.
„Nein, Marie, ich musste... ich habe sie geliebt...“ Betreten
schaue ich zu Boden. „Hast du sie denn geliebt?“
„Wen?“, frage ich irritiert.
„Na, die Frau, die dich verlassen hat...“
„Ich habe nicht gesagt, dass sie mich verlassen hat.“
„Nein, aber deine Augen sagen das.“ Lange schaue ich sie an, dann
schüttle ich den Kopf. „Warum hast du dann geweint?“
„Weil man eben nicht gerne verlassen wird.“
„Ist das alles?“
„Nein...“
„Was ist sonst?“
„Die Frau, die ich liebe, liebt einen anderen. Und sie wird ihn
immer lieben... Sie liebt ihn, obwohl er ihre Liebe wahrscheinlich nie erwidern
wird.“
„Weiß sie, dass du sie liebst?“ Ich nicke. „Woher?“, bohrt sie.
„Weil ich es ihr gesagt habe.“
„Das war mutig von dir...“
„Sie hat mit mir geschlafen.“
„Obwohl sie dich nicht liebt?“
„So eine ist sie nicht“, sage ich überzeugt. „Sie wollte mir nie
wehtun.“
„Aber das hat sie...“
„Ja, das hat sie...“ Für den Bruchteil einer Sekunde sehe ich Lili
vor mir. Ihre Hände auf meiner Haut, ihre Augen geschlossen, ihre Lippen einen
Spalt weit geöffnet.
„Bereust du es?“
„Was?“
„Na, dass du mit ihr geschlafen hast?“
„Kein bisschen.“
„Warum nicht?“
„Weil es der schönste Augenblick meines Lebens war. Ich wusste
immer, dass sie mich nicht auf die Art liebt, auf die ich sie liebe.“
„Und trotzdem hast du es getan.“
„Ja.“
„Dann behalte diese Erfahrung... es wird eine andere kommen. Und
diese Frau wird deine Gefühle erwidern.“
Meine Augen füllen sich mit Tränen. „Was ist, wenn ich keine
andere will?“
„Warum solltest du keine andere wollen?“, fragt sie ein wenig
verblüfft.
„Weil ich immer nur sie geliebt habe. Ich kann es mir nicht
vorstellen, sie nicht mehr zu lieben.“
„Irgendwann kannst du das, Liebes. Irgendwann...“ Tränen kullern
über meine Wangen. Nach einer kleinen Pause fügt sie hinzu, „Es wird wieder
eine
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