Irgendwo dazwischen (komplett)
noch immer Stefan liebe? Weißt du, wie es sich
anfühlt, wenn einen alle für dumm halten? Weißt du, wie es ist, wenn der
einzige, der einen ernst nimmt plötzlich mit der besten Freundin zusammen ist?
Hast du überhaupt eine Ahnung wer ich bin?“
„Du hast dich mir doch nie anvertraut...“
„Und wieder bin ich schuld. Merkst du es, Mama?“
„Warum bist du nie zu mir gekommen?“
„Vielleicht, weil du nie mit mir geredet hast, sondern
lieber über mich …“
„Was meinst du?“
„Ich weiß das mit dem Gymnasium... ich weiß, dass man bei mir nachhelfen musste. Ich habe gehört, wie ihr mit Leni darüber geredet habt.“ Als ich das
sage, fällt ihr die Farbe aus dem Gesicht. „Ja, ich habe euch gehört. Eines
würde mich wirklich interessieren. Ich frage mich, ob in dieser perfekten
Familie nur geliebt wird, wenn die Leistung stimmt? Oder wenn etwas Anständiges
aus einem wird? Was muss ich tun? Geige spielen? Soll ich anfangen, einen
Leistungssport zu machen? Würdest du mich dann lieben? Wäre ich dann eine von
euch? Würde Papa dann aufhören, mich so anzusehen?“ Als ich das sage, fange ich
an zu weinen. Und auch meiner Mutter laufen Tränen übers Gesicht. „Ihr seid
auch nicht perfekt. Keiner von euch. Nur merkt man es euch nicht so schnell an.
Ihr seid alle zerfressen. Dein Lächeln ist versteinert. Du tust alles, damit
niemand merkt, wie beschissen es dir eigentlich geht. Du bist wie eine
Marionette... ich kann das nicht. Und ich will es auch nicht.“ Dann drehe ich
mich um und verlasse die Küche.
„Emma, warte... Hör mir zu...“
„Nein. Weißt du was? Du musst mich nicht so lieben wie Elias oder
Lia oder Leni, aber bemerken musst du mich. Denn ich existiere.“
„Aber ich liebe dich doch, Emma... natürlich liebe ich dich.“
Lili
„Was hältst du von LA Crash ?“, fragt Elias, nun fast schon
verzweifelt.
„Wegen mir können wir den schon nehmen. Ich suche trotzdem noch
etwas anderes. Dann bekommt eben jeder seinen eigenen Film.“ Nachdem ich das
gesagt habe, schlendere ich alleine durch die Gänge der Videothek. Einige
Minuten später hadere ich zwischen The Notebook und Elizabethtown ,
beides Filme, die ich wirklich liebe. Und weil ich mich einfach nicht
entscheiden kann, nehme ich kurzerhand beide mit.
Im Auto sind wir beide sehr still. Ich frage mich, ob ich ihm
seinen Geschmack nicht lasse, weil er sich von meinem unterscheidet, oder weil
es mir so erscheint, als wäre es nicht wirklich sein eigener. „Was findest du
an solchen Filmen wie 21 Grams so toll? Sie sind doch eigentlich
furchtbar. Was gibt es dir, so etwas zu sehen?“, frage ich nach einer Weile.
„Das ist schwer zu sagen... sie faszinieren mich einfach. Das
Leben ist nicht nur schön, Lili. Und diese Filme zeigen Aspekte von einem
Leben, das wir nicht sehen wollen.“
„Das ist doch Blödsinn. Wenn wir es nicht sehen wollen, warum
schauen wir es uns dann an? Und außerdem ist und bleibt es ein Film, und die
Menschen darin spielen Rollen. Du setzt dich damit nicht der Realität aus,
sondern einer Fiktion der Realität... Sicher ist das Leben nicht nur schön. Es
reicht, die Nachrichten anzuschauen, um das zu erkennen. Man könnte nach Afrika
reisen und sich das Elend vor Ort ansehen. Oder man könnte Menschen besuchen,
die auf ein Spenderorgan warten, oder ab und zu ins Hospiz fahren. Aber das tut
man nicht. Und warum tut man es nicht? Weil es einem die Spur zu real wäre.“
„Kann ich nicht einfach eine andere Meinung haben als du?“, fragt
er mich.
„Ist es denn deine Meinung?“, frage ich zurück.
„Was soll das denn jetzt? Wessen Meinung sollte es denn sonst
sein?“
„Darum geht es ja. Ein Beispiel. Ich werde dich jetzt gleich etwas
fragen, und ich bitte dich, ganz spontan darauf zu antworten, okay?“
„Na, gut... Frag.“
„Was sind deine absoluten Lieblingsfilme?“, frage ich.
„Zwei weißt du schon. Ansonsten noch Romeo und Julia und Monster’s
Ball ... Und was sagt das über mich aus, Fräulein Freud?“, fragt Elias
schelmisch.
„Ziemlich viel... wenn ich allein von deinem Filmgeschmack auf
dein Wesen schließen müsste, wärst du meiner Meinung nach schwer gestört, wenn
auch gebildet und hochintelligent, mit einem Hang zur Depression.“
„Nicht schlecht... Und warum?“, will er wissen.
„Weil alle diese Filme auf die eine oder andere Art destruktiv
sind. Sie handeln von der ein oder andern Liebe, die letzten Endes entweder in
den Tod führt, auf Lügen
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