Irgendwo dazwischen (komplett)
eines Putzlappens.
„Und was genau soll das sein?“, frage ich sie und mache keinerlei
Anstalten, ihr das Ding aus der Hand zu nehmen.
„Probier es einfach“, sagt sie, und ihr Ton lässt nicht viel Spielraum
für Verhandlungen.
„Na, wenn es sein muss.“ Ich greife nach dem kleinen Stück Stoff
und denke, dass die Menge Stoff nicht einmal ausreichen wird, um meine Brüste
zu bedecken. „Ich finde ja, der Push-Up ist schon die Härte...“, sage ich, als
ich versuche, in den Hauch von Nichts einzusteigen. Doch Marie sagt nichts
dazu. Ich gehe zum Spiegel und mache mich darauf gefasst, entweder in Tränen
oder in schallendes Lachen auszubrechen. Doch zu meinem Erstaunen sehe ich
absolut atemberaubend aus.
„Dachte ich es mir doch “, sagt Marie, und blickt mir zufrieden
über die Schulter. „Meine Mama hat mir das geschenkt, aber es ist mit zu
groß.“, redet sie weiter, während ich mich bestaune. „Du kannst es haben...
steht mir sowieso nicht...“
„Spinnst du?“, schneide ich ihr das Wort ab. „So was kannst du
doch nicht einfach verschenken...“
„Genau genommen habe ich das gerade getan. Außerdem habe ich mehr
davon als du...“, sagt sie und zwinkert mir zu. Sie schaut mich an. „Ich gehe
auf die Terrasse, eine rauchen...“ Sie nimmt ihre Handtasche vom Bett und geht
in Richtung Tür. „Ach, ja“, sagt sie plötzlich und dreht sich unvermittelt zu
mir um, „Wann genau kommt Elias denn nun eigentlich?“ Ich schaue auf die Uhr.
„In zehn Minuten“, stelle ich fest. „Na, dann muss ich mich ja
nicht hetzen.“
Sie wirft mir einen vielsagenden Blick zu, und ihre Silhouette
verschwindet im dunklen Flur. Ich liebe ihre Art. Und ich kann mir durchaus
vorstellen, dass sie es sich gleich auf der Sonnenliege bequem macht, den Rock
hochschiebt und mit der Hand in ihre Unterhose gleitet. Das macht sie öfters.
Ich werde nie vergessen, wie sie es zum ersten Mal vor mir gemacht hat.
Marie
Ich liege auf der Sonnenliege und rauche eine Zigarette. Und so
sehr ich mich auch bemühe, ich kann an nichts anderes denken als an Paul. An
seine Hände, an seinen Geruch, daran, dass wir vor nicht einmal zwei Stunden
miteinander geschlafen haben. Ich drücke die Zigarette aus und schaue in den
Himmel. Und in diesem Augenblick frage ich mich, ob Paul vielleicht auch gerade
daran denkt oder ob er mit seinen Gedanken bei Helene ist.
Lili
Mein Handy klingelt. Es ist Elias. Als er auflegt, weiß ich, dass
er unten steht. Ich schaue noch ein letztes Mal in den Spiegel. Und ich muss
sagen, dass ich gut aussehe. Ich werfe alles, was herumliegt, in meine Tasche,
mache das Licht aus und werfe die Tür hinter mir zu. Am Treppenabsatz wartet
Marie. „Siehst super aus...“, sagt sie und lächelt mich an. Ihr Lächeln wirkt
irgendwie unecht, so als wäre sie eigentlich wehmütig oder sogar traurig. Ich
kenne sie, wenn sie nachdenklich ist.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“, frage ich. „Du wirkst irgendwie
traurig.“
„Ich bin nicht traurig“, antwortet Marie als sie die Haustür
öffnet „Ich denke nur nach.“
„Und worüber?“ Doch in dem Moment, als sie den Mund öffnet um zu
antworten, klingelt mein Handy ein zweites Mal.
„Wow“, sagt Elias. „Du siehst einfach toll aus, Kleines.“ Dann
fällt sein Blick auf Marie, und er fügt hinzu, „Du siehst auch wunderschön aus,
Marie.“ Und auch wenn ich weiß, dass Marie lesbisch ist und dass Elias nicht an
ihr interessiert ist, stört mich sein Kommentar.
Marie scheint das zu spüren und sagt, „An deine Freundin komme ich
aber nicht ran.“
Und er antwortet, „Ich hätte es nie gesagt, aber an Lili kommt
keine ran.“ In mir tobt der Triumph, er grölt und jubiliert. Es ist schon
komisch, dass Frauen sich gegenseitig immer als Konkurrentinnen sehen. Wir sind
eng verbunden, glauben an eine Freundschaft bis ins Rentenalter, und kaum kommt
ein Kerl, ist alles vorbei. Emma und ich sind das beste Beispiel. Wir waren von
der fünften Klasse an befreundet. Emma und ich waren gemeinsam Kinder und
wurden gemeinsam jugendlich und waren sicher, wir würden auch gemeinsam
erwachsen und dann alt werden. Doch dann kam Clemens. Und dann Elias. Und wo
sind wir jetzt? Wir machen alles zunichte, was uns immer wichtig war. Ich
vermisse sie. Aber ich bin zu stolz, um auf sie zuzugehen. Mit Emma habe ich
Wohnungen für unsere Barbies gebaut, sie war es, der ich von meinem ersten Kuss
erzählt habe, mit ihr habe ich meinen ersten BH gekauft und mit
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