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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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erstmals Deine Anzeige in der Augustausgabe von Kult-Mund gelesen habe. Es war der sonnendurchflutete erste Samstag im August (und es war überhaupt der erste August), als ich den Teeladen an der Saarlandstraße aufsuchte, um dort einzukaufen. Du kennst den Laden. Wir waren später einmal gemeinsam dort, um den aromatisierten schwarzen Tee zu kaufen, der nach Schokolade, Sahne und Creme schmeckt. An jenem Tage war ich dort, um mich nach einem Samowar zu erkundigen, den Dominique tags zuvor dort im Fenster gesehen hatte und ihr Gefallen erregte. Du weißt, dass sie Dinge nicht aus dem Kopf bekommt, wenn sie sie gesehen hat und in ihr die Lust aufkeimt, sie besitzen zu wollen. Also ging ich hinein, betrachtete das gute Stück und ließ mich von dem Verkäufer beraten. Er meinte, dass er in ein paar Wochen noch ein schöneres Teil bekommen werde und riet mir, solange zu warten. Ich ging also hinaus und nahm, wie ich es anderenorts schon häufig getan hatte, von der Theke die neueste Ausgabe von Kult-Mund mit. Meist habe ich mich für die Beiträge aus dem Kulturteil interessiert, doch ich habe auch die Kontaktanzeigen überflogen. Ich erinnere mich, wie ich von Deiner Anzeige eingefangen wurde. Ich kann nicht benennen, was alles es war, das mich in den Bann zog, doch es war sicherlich auch die Unbedingtheit der Hingabe, die Du Dir ersehnst und auch von dem anderen eingefordert hast. Ich habe Dir geantwortet, mit zitternden Fingern auf dem Computer hastig einige Sätze formuliert, weil ich fürchtete, zu spät zu kommen, Dich, die ich doch noch gar nicht kannte, an einen anderen zu verlieren, der schneller, schöner und wortgewaltiger geantwortet hatte, als ich es jemals vermocht hätte. Am Nachmittag dieses ersten August war mein Brief fertig. Ich habe nicht, wie es sonst üblich sein mag, eine Telefonnummer in dem Brief vermerkt, sondern gab einen Treffpunkt in der Stadtmitte vor. – Wie vermessen von mir, gleich ein Treffen zu bestimmen! Aber ich war mir so sicher, dass ich Dich unbedingt kennenlernen wollte, wie ich umgekehrt keinen Zweifel hatte, dass Du Dich in meinen Zeilen gespiegelt sahst, wenn die Worte Deiner Anzeige ehrlich gemeint waren. So trafen wir uns am nächsten Freitag (es war der siebte August) um 19 Uhr an dem von mir vorgeschlagenen Treffpunkt in der Fußgängerzone. Ich hatte Dich zuvor mit Genuss eine Zeitlang beobachtet, wie Du an der Laterne standest, die unseren Treffpunkt markierte und die Du umarmtest, als seiest Du an sie gefesselt. Danach sind wir spazieren gegangen. Du erzähltest, dass Du noch mit Deinem Partner zusammenlebst, von dem Du Dich trennen, aber zugleich nicht willst, dass er von Deinen Absichten erfährt. Diese Lebensumstände waren unser erstes gemeinsames Geheimnis, denn Du weißt, wie sehr auch ich unter meiner Einsamkeit leide, die ich tagtäglich erlebe, obwohl ich seit Jahren verheiratet bin. Du weißt wie ich, dass ein äußeres Zusammensein mit einem anderen Menschen nichts bedeutet. Die innere Bindung ist durch nichts zu ersetzen. Schon bald fühlten wir beide diese fast irreale Bodenlosigkeit, das wechselseitige Verlangen, die Sehnsucht, sich fallen zu lassen. Ich erinnere mich gern unseres einzigen gemeinsamen Wochenendes. Es war das letzte Augustwochenende, als wir für zwei Tage an die Mosel gefahren sind. Klare, sonnige Tage, die dazu einluden, die Zeit im Freien zu verbringen. Wir kamen nicht voneinander los, betranken uns an uns, verschmolzen in der Seele miteinander und lebten uns selbst. Heute erkenne ich die Bedeutung dieses Wochenendes: Es war die Offenbarung unseres Geheimnisses. Dominique hatte an jenem Wochenende eine Präsentation in Brüssel, Dein Freund besuchte eine Computermesse in Stuttgart. Du hattest ihm erzählt, dass Du mit einer Freundin an die Mosel fahren wolltest, die Dir notfalls ein Alibi verschafft hätte. Für mich selbst brauchte ich kein Alibi. Meine Ehe hatte nie jene Leidenschaft gehabt, die ich mit Dir erlebte, und war inzwischen schon so weit erkaltet, dass mein Fernbleiben nicht einmal mehr nach Erklärungen verlangte. Dominique und ich sind einander beliebig geworden. Was so gewaltig, heute sage ich, viel zu gewaltig, begann, wurde bald auch unser Verhängnis. Wir mussten lernen, dass sich der Himmel nicht auf die Erde ziehen lässt. Wenn wir ehrlich sind, dann lebten wir nur davon, einander in Sehnsüchten zu verschlingen und uns an einer Lust zu betäuben, die dem realen Leben doch nicht entfliehen konnte. Manchmal denke ich

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