Irsud
mir?” Ihre ölige, volltönende Stimme senkte sich zu einem kehligen Flüstern, was den rhythmischen Schwung auf ein rhythmisches Kreischen reduzierte. Gapp starrte sie an, verblüfft, ihr schlaffer Mund stand weit offen.
„Aber …” Sie öffnete und schloß den Mund wie ein Fisch. „Aber Kipu, vergeßt Ihr nicht …”
Die Kipu schlug ihre Hand wieder herunter; das laute Klatschen unterbrach Gapps Rede. „Ich vergesse nichts. Ahrib, geleitet diese Belit von hier fort.”
„Nein!” kreischte Gapp. „Nein, nicht wegen dieser Schwindelei, diese Sklavin, diese nachgemachte Sarrt …”
„Dieses Gegeifer beleidigt meine Ohren.” Die sanften, schleppend gesprochenen Worte brannten sich durch das lärmende Kreischen. Sowohl die Kipu als auch Gapp drehten sich um und starrten Aleytys an.
Wieder streichelte ihr Daumen das Handgelenk; ein kleiner Muskel zuckte am Mundwinkel, schmälerte die eisige, herablassende Maske. Innerlich flüsterte sie Harskari zu durchzuhalten, und sie wagte es, Schwermut und tiefpurpurne Entmutigung zusammenzuraffen und sie Gapp wie eine überreife Tomate entgegenzuschleudern, um sie auf dem Netz von Nervensynopsen und Zuckreflexen, das sie Seele nannte, auseinanderspritzen zu lassen.
Gapp schrumpfte in sich zusammen. Sie fuhr herum und stürzte aus dem Raum, gefolgt von einer ehrfurchtergriffenen und verängstigten Wächterin.
Aleytys erlaubte sich ein leichtes Lächeln. Sie streckte die linke Hand aus und klopfte sanft auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit der Kipu auf sich zu lenken. „Wir haben miteinander zu reden.” Sie hob die rechte Hand und drehte den ausgestreckten Zeigefinger in einem langsamen, waagerechten Kreis. „Es gibt zu viele Ohren dort draußen.”
10
Aleytys trat auf den Fußschemel und ließ sich auf dem Thronsessel im Privatbüro der Kipu nieder. Sie achtete darauf, keine ungeschickten Bewegungen zu machen, setzte sich in dem Sessel zurück, glättete die Robe in Schichten pedantischer Falten und nickte schließlich der Kipu zu, sich zu setzen. Sukall baute sich neben dem Bogendurchgang auf, das harte Gesicht in militärische Starrheit gefaßt.
Nachdenklich tastete Aleytys nach der Wächterin. Sukall sah aus wie eine Granitsäule. Aleytys streckte die Hände über die Armlehnen aus, griff nach den klauenbewehrten Enden und trommelte einige ungeduldige Takte auf das Holz, als ihre Hände sie nicht erreichten. Sukall. Ihre Fassade war eine Lüge. Innerlich zitterte sie, formlos wie eine Amöbe. Die altgediente Wächterin, die durch geschickte Anpassung an wechselnde Umstände ihre Jahre im Palast überlebt hatte, fand sich plötzlich von Unsicherheit überflutet. Aufgewachsen im Treibhaus des zum Palastleben gehörenden Kehlenaufschneidens und hinterhältiger Messerstechereien vermutete sie, daß Aleytys ein falsches Spiel trieb. Ihr Problem lag darin, die Haltung zu wählen, die den größten Vorteil versprach. Bis jetzt wußte noch niemand, wie das Ei der Königin reagieren würde, besonders nicht unter solch bizarren Umständen. Wenn das alte Weib erwachen würde … Götter! Tausend Jahre waren ein langer Würgegriff um den Geist eines Volkes. Deshalb geriet Sukall ins Schwimmen und klammerte sich an die Kipu als den stärksten Pfeiler im stärker werdenden Mahlstrom.
Und sie hat recht, dachte Aleytys. Die Kipu strahlte eine gelassene Skepsis aus, einen Hauch von Angst, einen sehr dünnen Hauch, und eine große Portion Neugier.
„Ich langweile mich.” Die Worte brachen das Schweigen. Das Gesicht der Kipu behielt sein ruhiges, abwartendes Aussehen bei, aber ihre Fühler zuckten kurz. „Es genügt nicht, dieser Raum dort und der Garten.” Aleytys lächelte, die Finger zogen kleine Kreise auf dem polierten Holz.
„Birka würde dich gern außerhalb der Mauern antreffen”, sagte die Kipu leise. „Oder Arikin.” Sie wartete auf einen Kommentar, aber Aleytys klopfte einfach mit den Fingern auf die Armlehnen des Stuhles, die Fingernägel verursachten ein sacht klickendes Geräusch in der schweren Stille, die zwischen ihnen hing. „Du bist zu verwundbar außerhalb der Mauern.”
„Mhm. Nein. Ich denke nicht. Es könnte ein starker Vorteil für das Volk der Stadt sein, mich zu sehen und zu berühren und zu kennen.” Sie hob die Hände, drückte die Handflächen gegeneinander und berührte mit den Spitzen der gegeneinander gelegten Zeigefinger die Lippen, die längeren Mittelfinger paßten bis unmittelbar unter die Nase, dann senkte sie die Hände
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