Isabelle
Isabelle Urlaub hat. Sie wollte ihre Adresse haben.«
»Aber du hast sie ihr doch wohl nicht gegeben?«
Eelco schüttelte beleidigt den Kopf. »Das haben wir doch so abgemacht. Dabei bräuchte man Nellie nur einen Hunderter zuzustecken, dann würde sie sofort damit rausplatzen. Übrigens habe ich das Gefühl, dass die Dame bald Krach schlagen wird, wenn van Houten noch länger beschäftigt bleibt.«
»Du hättest ihn doch auch in Urlaub schicken können.«
»Na klar.« Eelco schnaubte missbilligend. »Dann hätte sie mit einer anderen Ausrede angerufen, und er wäre plötzlich doch da gewesen. Solche Leute lassen nicht locker. Genau wie der Fotograf neulich, den ich mit einem Fußtritt aus der Küche rausbefördern musste, weil er dachte, dass Isabelle sich da versteckt hält. Was hast du vor?«
»Ach, lass nur.« Letty kam hinter dem Tresen hervor und ging über den Flur zum kleinen Büro des Managers.
Van Houten war ein gesetzter Mann in den Vierzigern mit Stalin-Augenbrauen unter einer fliehenden Stirn und einem kurzen militärischen Haarschnitt. Er glaubte an Ordnung und Autorität, und ein fehlerlos und einwandfrei funktionierendes Restaurant schien sein höchstes Lebensziel zu sein. Trotzdem kamen sie gut mit ihm aus, weil er sein Personal anständig behandelte und Verständnis für private Schwierigkeiten aufbrachte.
»Ein Problem an Tisch vier«, meldete Letty. »Eelco glaubt, die Frau sei eine Journalistin, aber sie ist die Witwe des erschossenen Freundes von Isabelle.«
Van Houten blickte verstört von seinen Papieren auf und legte eine Faust auf seinen Schreibtisch. »Bist du sicher?«
Letty trat an seinen Schreibtisch und blätterte die losen Zeitungsseiten mit Artikeln über den Mord durch. Sie fand die Seite mit dem Foto von Judith Colijn und hielt sie hoch.
»Tisch vier. Sie will den Manager sprechen. Bestimmt ist sie nicht gut auf Isabelle zu sprechen, deshalb wollte ich Sie lieber vorwarnen«, sagte Letty.
Van Houten nickte. »Langsam wird die Sache schmut zig«, sagte er. »Die Berichte im Fernsehen und in den Zeitungen – für uns ist das geschäftsschädigend.«
»Aber Isabelle kann doch nichts dafür«, gab Letty zu bedenken.
»Ach nein?« Van Houten trat hinter seinem Schreib tisch hervor. »Musst du nicht drinnen bei der Konferenz bedienen?«
Letty nickte und verließ hastig sein Büro.
Van Houten folgte ihr, langsamer. Im Restaurant nick te er Eelco zu und ging mit einem Lächeln auf dem Ge sicht zu Tisch vier. Es war ruhig, Tisch fünf war nicht besetzt. Es saßen zwar Gäste an der Zwischenwand, aber van Houten konnte ungestört mit der Besucherin reden.
»Guten Tag, Mevrouw«, sagte er. »Sie wollten mich sprechen? Mein Name ist van Houten, ich bin der Mana ger. Darf ich mich setzen?«
Sie war eine attraktive, sorgfältig gekleidete Frau. Er roch ein teures Parfüm. Einige Muskeln in ihrem Gesicht bewegten sich, und er sah, dass es sie Mühe kostete, sich ein Lächeln abzuringen. Sie stellte sich nicht vor. Van Houten versuchte vergeblich, sich auszumalen, wie seine Frau sich fühlen würde, wenn sie mit einer solchen Situa tion konfrontiert würde.
»Ich versuche, eine junge Dame zu erreichen.« Er hör te, wie sie bei dem Wort Dame zögerte. »Eine Ihrer Ser viererinnen, Juffrouw Mertens. Ich dachte, sie wäre viel leicht wieder zurück an ihrem Arbeitsplatz.«
»Darf ich fragen, warum Sie sie sprechen wollen?«, fragte van Houten.
»Der junge Mann, der mich bediente, weigerte sich, mir ihre Adresse zu geben.«
»Das darf er auch gar nicht. In diesem Fall gibt es sogar eine ausdrückliche Vereinbarung mit der Polizei, um zu verhindern, dass die Presse die junge Frau unnötig beläs tigt«, erwiderte er freundlich. »Wenn Sie möchten, kön nen Sie ihr eine Nachricht hinterlassen, und ich werde dafür sorgen, dass sie sie erhält.«
»Ich bin nicht von der Presse.« Sie wischte mit den Fin gern über das violette Tischtuch. »Ich möchte sie aus persönlichen Gründen sprechen. Sie ist doch schon lange wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Wo wohnt sie?«
Er schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Seit wann arbeitet sie hier?«
Van Houten blickte sie an, seufzte und sagte: »Mevrouw, Sie haben mein Mitgefühl. Ich kann Ihren Standpunkt verstehen, und es tut mir Leid, dass Sie Ihren Mann verloren haben, aber ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
Ihre Mundpartie verhärtete sich. »Sie verstehen überhaupt nichts. Wer ist Ihr
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