Isabelle
Dunkeln zu Hause« hinzufügen wollte, doch dann schloss ihre Tante abrupt den Mund und ihr Gesicht verhärtete sich. In einer plötzlichen Gefühlsaufwallung ging Isabelle zurück und küsste sie auf die Wange, bevor sie geniert davoneilte.
Sie erschrak unwillkürlich, als sie auf dem Parkplatz vor dem Restaurant einen BMW bemerkte, in genau derselben Parklücke, in der Bens Auto gestanden hatte. Aber der hier war alt und verbeult, und auf der Windschutzscheibe hatten die Scheibenwischer zwei dunkle Halbkreise im Schmutz hinterlassen.
Ihre Arbeitskleidung hing nicht in ihrem Spind. Es hing überhaupt nichts darin, der Spind war leer. Isabelle schloss die Tür und machte sich auf den Weg durch die Küche. Sie grüßte Egbers, den Chefkoch, der hinter seinem Hacktisch überrascht aufblickte und offenbar etwas sagen wollte, aber da war Isabelle schon durch die Schwingtür verschwunden.
Letty stand hinter dem Tresen, und ein unbekanntes Mädchen bediente auf der Seite zur Straße hin. Im Restaurant saßen nur wenige Gäste, was um diese Uhrzeit normal war. Nicht normal war die Musik, Aufzuggedudel von einem der alten Bänder. Auch Letty wirkte nicht normal, sondern bedrückt.
»Hi«, begrüßte Isabelle sie. »Wo sind denn meine Sachen?«
»Ich kann es nicht ändern«, sagte Letty. »Van Houten wartet auf dich.«
Isabelle spürte, wie ihr kalt wurde. »Ach so«, sagte sie leise.
»Möchtest du vorher erst mal eine Tasse Kaffee trinken?«, fragte Letty. »Hör mal, ich habe …«
»Du kannst nichts dafür«, unterbrach Isabelle sie, schärfer, als sie beabsichtigt hatte. »Niemand kann was dafür. Ist das da meine Nachfolgerin?«
Als sie das Restaurant durchquerte, schaute ein Mann an Tisch acht auf, als erkenne er sie wieder. »Juffrouw Mertens?« Er machte Anstalten aufzustehen, aber Isabelle starrte stur geradeaus und ging weiter bis in den Flur. Sie klopfte an van Houtens Tür und platzte in sein Büro, ohne seine Reaktion abzuwarten. Er stand von seinem Schreibtischstuhl auf.
»Tag, Isabelle. Setz dich doch einen Moment.«
Isabelle ignorierte seine ausgestreckte Hand und erwiderte nichts. Sie hatte nie etwas gegen van Houten gehabt, aber sie war jetzt nicht in der Stimmung, es ihm leicht zu machen.
»Bitte setz dich doch«, sagte er noch einmal. »Das alles ist schon unangenehm genug. Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber ich will mich auch nicht hinter meinem Chef verschanzen, denn ich bin mit ihm einer Meinung. Du bekommst drei Monatsgehälter zu sätzlich ausbezahlt, weil … Na ja, du hast hier gute Ar beit geleistet.« Er sank zurück auf seinen Stuhl, zog eine Schublade auf und überreichte ihr einen Lohnstreifen. »Der Betrag wurde bereits auf dein Konto überwiesen.«
Isabelle nahm das Stück Papier an und faltete es zu sammen. »Warum?«, fragte sie.
»Du hast die Kündigung eingereicht, und deinem Wunsch wurde entsprochen«, erklärte van Houten. »Das ist günstiger für dich als andersherum. Ich will dir nichts Böses.«
»Ich kann mich aber gar nicht daran erinnern, gekün digt zu haben.«
Van Houten nahm eine distanzierte Haltung ein und erwiderte: »Es ist mir schleierhaft, wie du nach dem Grund deiner Entlassung fragen kannst. Fotografen, Journalisten, ein Fernsehteam sowie eine rachsüchtige Ehefrau haben uns die Tür eingerannt. Unser Name steht in allen Zeitungen. Wir alle hier haben versucht, dich in Schutz zu nehmen. Ich habe auch nie geglaubt, dass du etwas mit der Sache zu tun hattest, als letztes Jahr der Mercedes gestohlen wurde und die Polizei sich erkundig te, ob dein Freund hier aufgetaucht sei. Aber seit deiner letzten Aktion betrachten die Leute unsere Serviererin nen quasi als Prostituierte. Das ist nicht gut fürs Ge schäft, ganz unabhängig davon, wie ich persönlich über das alles denke.«
Isabelle hielt sich zurück. Sie steckte den Lohnstreifen in ihre Tasche. Vielleicht hätte sie lieber sagen sollen, er könne sein Geld behalten, aber drei Monatsgehälter wa ren drei Monatsgehälter.
»Jetzt hör doch mal«, sagte van Houten beschwichti gend. »Es tut mir Leid, dass es so gelaufen ist. In einem halben Jahr erinnert sich kein Mensch mehr daran. Wenn du bis dahin noch nichts Besseres gefunden hast oder gerne hierher zurückkommen möchtest …« Er machte eine Handbewegung. »Meine Tür steht dir immer offen.«
Sie schluckte ihre Wut hinunter und blieb im Hinaus gehen noch einmal stehen, als er sagte: »Isabelle?« Sie sah, dass ihm seine
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