Italienische Novellen, Band 3
hatte sich unser armer Pedant aus der Maßen vergafft, so daß er nicht oder doch kaum bleiben konnte, ohne die Geliebte zu sehen oder doch den festen neidischen Mauern nahe zu kommen, die sein geliebtes Leben verbargen. Er machte es dabei, wie oft törichte, einfältige Liebhaber zu tun pflegen, die, wenn sie einen geliebten Gegenstand nicht sehen können, den Ort anschauen, wo sie meinen, daß er sich befinde, und mit ihm sprechen, gerade als hätte er Verstand; und wenn diese seine Geliebte ausging, folgte er ihr immer auf jedem Tritt und Schritt unter den überschwenglichsten Torheiten, den tölpischsten Reden und unbeholfensten Höflichkeiten, wie sie nur je ein törichter und ungebildeter Bauer vorbrachte, und mit den Augen konnte er mit ihr anfangen und von ihr erhalten, was er wollte: denn der Tor hielt sich an und für sich ihrer durchaus würdig. Diese seine Liebe dauerte lange Zeit; der Tor sah seinen Irrtum nicht ein, sondern vermehrte ihn noch angelegentlich.
Nun begab es sich, daß zufällig oder, wie wir besser sagen, wegen eines gelegenen Bedürfnisses im Hause dieser seiner Geliebten ein Priester sich befand, gleichfalls aus unserer und des verliebten Hauslehrers Vaterstadt, der einen kleinen Knaben, den Sohn dieser seiner Geliebten, im Lesen unterrichtete. Der törichte Liebhaber brachte es dahin, daß er mit ihm aufs engste vertraut wurde und in wenigen Tagen ihm seine ganze Liebe entdeckte; denn er wähnte, der Geistliche müsse ihm noch sehr dankbar dafür sein, daß er ihn gewürdigt habe, ihn zu seinem Freunde zu wählen. Er enthüllte ihm seine ganze Leidenschaft und bat ihn übrigens in ganz gebieterischer Weise folgendermaßen: »Priester, ich wünsche, daß Ihr mich Eurer Gebieterin empfehlet.«
Als der scharfsinnige Priester das törichte Geschwätz hörte, war er klug genug, ihm zu versprechen, er wolle es tun, und um ihn in seinem Glauben, daß dies geschehen werde, noch mehr zu bestärken, sagte er: »Ha, was sagt Ihr, Misser Giovambatista? Seid überzeugt, daß ich um Eurer trefflichen Eigenschaften willen nicht umhin kann, es zu tun, und daß Ihr mir nur befehlen dürft; eben darum bin ich immer zu Eurem Dienste bereit. Ich bin allerwegen verpflichtet, Euch zu gehorchen als einem, der größer ist als ich, da Ihr eine so seltene Erscheinung seid auf dieser Welt.«
Als der Herr Pädagog sich so große Lobsprüche erteilen hörte, richtete er sich straff auf, strich sich den Bart, spreizte sich in seinem veilchenfarbenen Überrock, den er als Auszeichnung trug, klopfte ein paar Stäubchen davon und sagte zu dem Geistlichen: »Ihr tut das nur aus lauter Freundlichkeit.«
Der Priester sagte, um ihn noch mehr zu schrauben: »Was sagt Ihr, Misser Giovambatista? Eure Tugenden sind so groß, daß ich Euch niemals so viel dienen könnte, wie diese verdienen.«
Nun stellt euch vor, ob der törichte Pedant vor Wonne zitterte, da er sich so heiß loben hörte! Er wurde dadurch gegenüber dem Priester noch viel sicherer und brach in die Worte aus: »Mit Gunst, Priester, macht mir ein ganz besonderes Vergnügen!«
Auf diese Worte zeigte sich der Priester noch viel bereitwilliger, ihm zu dienen, und sagte: »Mit Gunst, Misser Giovambatista, bittet mich doch nicht, sonst macht Ihr mich böse. Ich verlange, daß Ihr mir befehlt! Sagt, was Ihr wollt, daß ich tue! Habe ich Euch nicht gesagt, daß Ihr mir nur zu befehlen habt? Wenn es etwas ist, was in meinen Kräften steht, so werdet Ihr selbst sehen, daß ich nicht ermangeln werde zu folgen; eher würde ich mir selber ungehorsam sein, als Euch. Habe ich Euch nicht gesagt, daß ich mein eigenes Leben daransetzen würde?« Darauf sagte der Herr Hofmeister mit pedantischem Tone: »Ha, das Leben? Domine, non istum privare nobis ; aber sehr angenehm wird es mir sein, wenn Ihr mich manchmal ins Haus nehmt, um Euer Arbeitszimmer zu sehen.«
Er hatte nicht so bald diese Worte gesprochen, als der listige Priester erkannte, was er wollte. Er merkte, daß er es mit einem Schafe zu tun hatte, und daß jener von Liebe durchsüßt war wie Honigseim, sprach also zu ihm: »Was zahlt Ihr mir, Misser Giovambatista, wenn ich Euch wenigstens auf zwei Stunden hinbringe zu Eurer Geliebten, meiner Gebieterin?«
Misser Giovambatista stieß, da er dieses Anerbieten hörte, einen tiefen Seufzer aus, gerade als wenn ein Esel anfinge zu iahen, und nach dem Seufzer sagte er: »Gewiß Priester, wenn Ihr mir das tätet, so schenkte ich Euch ein schönes Paar Schuhe, wenn
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