Italienische Novellen, Band 3
sagte: »Da sieht man's, er hat den Verstand, den er von Bologna gebracht, schon wieder verloren. Wohlan denn, so wollen wir ihm auch geben, was er sucht. Ich danke dir für deine Nachricht, aber mach dir keine Sorge um mich! Laß ihn nur kommen!«
Als der Abend gekommen war, nahm Giovannello in Rosanas Haus einen seiner Bauern, zog ihm ihre Kleider an, setzte ihm ihre Haube auf und machte sich mit ihm auf den Weg nach seinem Hause bei Santa Maria Novella; er hatte ihn immer am Arm und führte unterwegs mit ihm verliebte Zwiesprache. Giovannello tat dies, weil er, als er Rosanas Haus verließ, einen von den Freunden Antenors schnauben hörte mit ihren Rüstungen und Bretterschildern, daß man meinte, es seien fürstliche Diener. Um sie daher in ihrer Meinung zu bestärken, Rosana sei bei ihm, führte er diese Gespräche so, daß er von ihnen verstanden werden konnte. Als sie an die Säule von Santa Trinita kamen, sprang Antenor, der mit seinen Gefährten hinter dem Fußgestell derselben verborgen war, hervor und rief: »Wehe dir, daß du gesagt hast, Rosana sei dein, Giovannello! Nun mußt du sie auf diese Art behaupten.«
Damit zog er den Degen, und die übrigen taten das gleiche. Giovannello, der mehr als das nicht wünschte, ließ den Bauern stehen und lief nach Portarossa zu. Antenor glaubte daher nicht ihn verfolgen zu müssen, wandte sich vielmehr zu der vermeintlichen Rosana, um sie zu trösten, und fing also an: »Nun kannst du sehen, meine allerliebste Frau, wie groß meine Liebe zu dir ist, und was für einen wackern Liebhaber du gegen mich dir eingetauscht hast.«
Der Bauer, der nichts von diesen Dingen wußte, da Giovannello ihm nur gesagt hatte, er wolle ihn in eine Abendgesellschaft führen, um einige von seinen Freunden zum besten zu haben, – als er sah, daß Antenor ihm zu Leibe rückte, um ihn zu umarmen, fürchtete, es möchte ihn dies zu einer Handlung verleiten, die ihm Schande bringen könnte, machte sich daher mit aller Gewalt aus seinen Armen los und sagte: »Lieber vornehmer Herr, ich weiß nicht, was Ihr von mir wollt. Ich will in meines Herrn Haus; laßt mich!«
Wie dem Antenor bei diesen Worten zumut wurde, das überlasse ich euch zu bedenken, meine liebsten Frauen, zumal als die Leute seines Gefolges bei dieser seltsamen Stimme in das allergrößte Gelächter ausbrachen. Sie traten vor, stürmten alle auf ihn ein und riefen: »Es geschieht dir ganz recht, da du dich dem Betto anvertraut hast, von dem du doch wußtest, daß er mit Giovannello ebenso wie mit dir befreundet ist. Gewiß hat er alles ausgeplaudert. Du siehst auch, daß er nicht bei uns ist. Ein anderes Mal also schau zu, wem du vertraust!«
Antenor schämte sich über die Maßen, teils wegen dessen, was ihm mit dem Bauern begegnet war, den er seine allerliebste Frau genannt hatte, als wegen der Vorwürfe der Freunde. Er begab sich nach Hause und blieb daselbst drei Tage, ohne einmal aus der Stadt zu kommen, ja, ohne sich nur vor jemand blicken zu lassen, wobei er große Rachepläne gegen Giovannello schmiedete. Seine Freunde redeten ihm aber zu, die ganze Sache als einen Scherz zu betrachten, und als verständiger und wackerer Mann tat er das auch; er kam wieder mit Giovannello zusammen, sie blieben fortan gute Freunde und genossen in freundlichem Einverständnis noch lange Zeit die Freundschaft der Rosana.
Eustachio Manfredi
Die Witwe von Ephesus
(Lessing, Die Matrone von Ephesus)
In Ephesus, einer sehr alten Stadt Kleinasiens, lebte eine vornehme Frau, die ebenso wegen ihrer körperlichen Schönheit als wegen ihrer Geistesgaben von allen geschätzt, wegen ihrer ehelichen Liebe aber vollends für ganz ohne ihresgleichen geachtet wurde, so daß man nicht allein in Ephesus, sondern auch in der Nachbarschaft von ihr als von einer ganz ausgezeichneten Frau sprach. Sie hatte nämlich einen Edelmann jener Stadt geheiratet und liebte ihn mit solcher Treue, daß, obgleich viele der reichsten und edelsten jungen Leute mit Geschenken und Versprechungen und mit jedem andern Lockungsmittel ihre Liebe zu gewinnen trachteten, es ihnen nicht allein gar nichts half, sondern nicht einmal nur einer von ihnen es dahin brachte, in ihrem Sinne einen Gedanken rege zu machen, der nur im mindesten ihre Ehre befleckt hätte. So standen die Sachen; von vielen Seiten wurde sie angegangen, keiner aber erhört, da begab es sich, daß ihr Mann erkrankte, und alle sorgsame Pflege, die sie ihm zuwandte, vermochte es nicht zu verhindern, daß er
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