Jäger der Macht: Roman (German Edition)
eigentlich eher schwach. Warum sollte man Frauen nehmen, wenn man Kämpfer heranziehen will? Warum sollte man sich überhaupt mit Allomanten abgeben, wenn man das Geld und die Möglichkeiten hat, so viel Aluminium zu stehlen? Sie hätten schon lange aufhören können und wären ungeheuer reich gewesen. Und ich habe keinen sicheren Beweis dafür gefunden, dass die anderen Frauen tatsächlich Allomantinnen waren.«
Sie haben es einfach nur darauf abgesehen, Frauen zu nehmen, dachte Marasi, während sie die langen Listen ansah, die alle Geiseln mit dem Nebelgeborenen verbanden. Er war der mächtigste Allomant gewesen, der je gelebt hatte. Er war eine beinahe mythische Gestalt, die alle sechzehn allomantischen Kräfte in seiner Person vereinigt hatte. Wie mächtig mochte er gewesen sein?
Und plötzlich ergab alles einen Sinn. » Rost und Ruin«, flüsterte sie.
Waxillium blickte zu ihr hoch. Er hätte es vermutlich ebenfalls gesehen, wenn er nicht die ganze Nacht hindurch wach geblieben wäre.
» Allomantie ist genetisch bedingt«, sagte sie.
» Ja. Das ist der Grund, warum sie sich in so vielen Stammbäumen zeigt.«
» Genetisch bedingt«, wiederholte Marasi. » Und sie nehmen die Frauen. Waxillium, verstehen Sie es nicht? Sie haben nicht vor, eine Armee von Allomanten zusammenzustellen. Sie wollen eine züchten. Und dafür nehmen sie diejenigen Frauen, die unmittelbar vom Nebelgeborenen persönlich abstammen.«
Waxillium starrte auf das große Blatt und blinzelte. » Beim Speer des Überlebenden …«, flüsterte er. » Zumindest bedeutet dies, dass Steris nicht in unmittelbarer Gefahr schwebt. Sie ist wertvoll, obwohl sie selbst keine Allomantin ist.«
» Ja«, sagte Marasi. Ihr war übel. » Aber wenn ich recht habe, schwebt sie in einer anderen Art von Gefahr.«
» Allerdings«, meinte Waxillium gedämpft. » Ich hätte es erkennen müssen. Das wird mir Wayne nie verzeihen, wenn er es herausfindet.«
» Wayne«, sagte sie und bemerkte, dass sie sich noch gar nicht nach ihm erkundigt hatte. » Wo ist er eigentlich?«
Waxillium warf einen Blick auf seine Taschenuhr. » Er sollte bald zurückkommen. Ich habe ihn losgeschickt, damit er ein wenig Unheil anrichtet.«
Kapitel 8
W ayne schritt die Treppe zur Polizeiwache des Vierten Oktanten hinauf. Seine Ohren fühlten sich viel zu heiß an. Warum trugen Polizisten nur so unbequeme Hüte? Vielleicht war das der Grund dafür, dass sie andauernd so griesgrämig durch die Stadt liefen und achtbare Einwohner belästigten. Schon nach wenigen Wochen in Elantel wusste Wayne, dass die Schutzmänner kaum etwas anderes taten.
Schlechte Hüte. Ein schlechter Hut konnte einen Mann allerdings ziemlich unangenehm werden lassen.
Er stürmte durch die Tür mit den Doppelflügeln, rammte sie geradezu auf. Der Raum dahinter sah im Grunde wie ein gewaltiger Käfig aus. Ein hölzernes Geländer hielt die Leute von den Polizisten fern; dahinter standen Tische für Mahlzeiten, zum Ausruhen und Reden. Als er eintrat, setzten sich einige Polizisten stocksteif hin, andere griffen nach den Revolvern an ihren Hüften. » Wer hat hier das Kommando?«, brüllte Wayne.
Die erstaunten Polizisten starrten ihn an, sprangen auf die Beine, richteten ihre Uniformen und setzten hastig ihre Hüte auf. Er trug eine ihrer Uniformen, die er in einer Wachstube im Siebenten Oktanten eingetauscht hatte. Dafür hatte er ein ziemlich gutes Hemd als Ersatz zurückgelassen; gerechter konnte ein Handel eigentlich nicht sein. Schließlich war das Hemd aus Seide gewesen.
» Herr!«, sagte einer der Polizisten. » Da müssen Sie mit Hauptmann Brettin sprechen, Herr!«
» Wo zum Teufel ist er denn?«, brüllte Wayne. Den richtigen Akzent hatte er sich bei einigen anderen Polizisten abgelauscht. Die meisten Menschen hatten eine falsche Vorstellung von dem Begriff Akzent. Sie glaubten, das sei etwas, das jeder andere habe, nicht aber sie selbst. Doch so war es nicht. Jeder Mensch hatte einen ganz persönlichen Akzent, der sich aus seiner Wohnumgebung, seiner Arbeit und seinem Freundeskreis zusammensetzte.
Die Leute glaubten, Wayne imitiere Akzente. Aber das tat er nicht. Er stahl sie. Sie waren das Einzige, das er noch stehlen durfte, denn ansonsten hatte er sein Leben ja inzwischen der guten Sache verschrieben …
Einige Polizisten, die von seinem Eintreffen noch immer verwirrt waren, deuteten auf eine Tür an der Seite des Raumes. Andere salutierten, als wenn dies das Einzige wäre, das sie wirklich
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